Studieren um jeden Preis? Mehr Akademisierung sinnvoll?

Ist eine steigende Anzahl an Akademikern überhaupt sinnvoll und noch zu verantworten? Welchen Zweck verfolgen Wettbewerbe im Bildungswesen und welche Schlüsse lassen sich aus den Ergebnissen ziehen? Bei der Tagung "Studieren um jeden Preis?" in Wien ging man diesen und weiteren Fragen nach.

Studieren um jeden Preis? Ist die zunehmende Akademisierung verantwortungslos?

In der Wiener NZZ-Redaktion (Neue Zürcher Zeitung) wurde am 29. April über die zunehmende Akademisierung diskutiert. Ist eine steigende Anzahl an Akademikern überhaupt sinnvoll und noch zu verantworten? Dr. Konrad Paul Liessman von Uni Wien kritisiert, "dass wir jungen Menschen offenbar etwas vorgaukeln, was in ihrer nahen Zukunft nicht mehr eintreffen wird, nämlich genau diese enge Verbindung von akademischer Qualifikation + sicherer Arbeitsplatz".

Im Mittelpunkt des Abends stand aber der Sinn oder Unsinn von Wettbewerb im Bildungswesen, in der Forschung oder im Gesundheitswesen. Eingeladen war hierfür der Schweizer Ökonom Dr. Mathias Binswanger, der dem Thema sogar ein eigenes Buch gewidmet hat. Er versucht aufzuzeigen, wieso Vergleichskämpfe wie beispielsweise die PISA-Testungen, nicht zu dem Erfolg führen, den wir gerne hätten.

Mathias Binswanger: Sinnlose Wettbewerbe im Bildungswesen

"Wenn schon kein Markt, dann doch wenigstens Wettbewerb - also inszenieren wir einfach Wettbewerbe und dann wird das Bildungswesen auch effizient", kritisiert Dr. Mathias Binswanger zum Beginn seines Vortrags. Er ist der Meinung, dass Wettbewerbe, egal ob in der Forschung, im Gesundheitswesen oder in der Bildung nicht zum gewünschten Ziel führen - nämlich Forschung, Gesundheitswesen oder Bildung zu verbessern, sondern sie fördern oftmals die "Produktion von Unsinn". Dem zu Grunde liegt mitunter die Messbarkeitsillusion: Binswanger betont, dass sich qualitative Leistungen nicht mit Kennzahlen messen lassen - dies wird aber ständig versucht.

Anhand eines Beispiels, wie man die Qualität eines Mittelstürmers messen könnte, zeigt er so manch Absurdität von Leistungsmessungen und deren Sinnlosigkeit - wobei er nur 6 Indikatoren anführt. Britische Hausärzte werden nach 156 Indikatoren bewertet.

Der Schweizer Ökonom wirft auch einen Blick auf den PISA-Vorzugsschüler Finnland und zeigt auf, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

Mathias Binswanger: "Schulen & Lehrer unter Generalverdacht der Leistungsverweigerung"

Mit Testungen wie zum Beispiel PISA setzt man "Schulen und Lehrer unter den Generalverdacht der Leistungsverweigerung", so der Ökonom und Buchautor Dr. Mathias Binswanger. Man gehe grundsätzlich davon aus, dass es nur schwarze Schafe gäbe und man Jahr für Jahr beweisen müsse, dass man doch ein weißes Schaf ist - dies ist, so Binswanger, "nicht sehr motivierend".

"Man soll dort ansetzen, wo es Probleme gibt, dort wo es Fehler gibt, aber dort wo es funktioniert, kann man die Leute in Ruhe lassen", empfiehlt der Schweizer.

Konrad Paul Liessmann: Ist die Forderung nach mehr Akademisierung verantwortungslos?

Der Philosoph Dr. Konrad Paul Liessmann spricht im Interview über die Forderung nach mehr Akademisierung und ob diese nicht verantwortungslos gegenüber unserer Jugend sei. Die "Jobgarantie", die es früher mit einem Studium gegeben hat, gibt es defacto nicht mehr. Kritisch steht er auch der Akademisierung der pädagogischen Berufe, also der LehrerInnenbildung NEU gegenüber. Liessmann fehle zum einen die Wissenschaftsnähe zum anderen brauche es für die Sekundarstufe I und II eine unterschiedliche Ausbildung. "Ich fürchte, wir gehen hier einen sehr teuren Weg, der vielleicht einige kleine Verbesserungen bringen wird, aber in hohem Maße gefährdet ist, dass wir uns hier in eine Sackgasse manövrieren", so Liessmann.

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