Wider die ärztliche Kunst? Recht und Unrecht in der Medizin.

Es wär ein zusätzlicher Gewinn, wenn Patienten nach der Lektüre sich noch mehr mitverantwortlich für den gemeinsamen Erfolg der professionellen Partnerschaft fühlen!


Autor: Bossenmayer J

Verlag: Stuttgart :Georg Thieme

Erschienen: 2015

Zum Inhalt

 

Der Autor ist Fachanwalt für Medizin-Recht. Er hat Fälle aus der ärztlichen Praxis zusammengetragen, die allesamt unsanfte Berührungen zwischen Medizin und Recht schildern, seien dies Behandlungsfehler, Hochstapelei (Vortäuschen, Arzt zu sein oder über medizinische Qualifikationen zu verfügen), Operationen aus Geldgier und ohne Indikation, Schmerzensgeld, Arzthaftung, Schadenersatz, die Frage der Kompatibilität von Beruf und Freizeitbeschäftigung u. a. m. Der Rückenteil des Covers und der Schluss des Vorworts sprechen vom Lesevergnügen,  welches das Buch bereitet. Dass dem nicht so ist, liegt nicht am Autor - er schildert die wahren, aber anonymisierten  Begebenheiten recht spannend. Es ist der Inhalt, der nicht vergnüglich stimmt, sondern schockiert: Ein kleiner falscher Schritt kann zum beruflichen und menschlichen Absturz führen, ein kleiner Fehltritt kann eine Prozesslawine auslösen, ein unbedeutend erscheinender Behandlungsfehler kann für Arzt und Patient existenzgefährdend sein. Vergnügen kommt da nicht auf, sondern Betroffenheit!

Einer der verwickeltsten Fälle, vielleicht der komplexeste Fall im Buch, ist betitelt mit " Scheidung mit Risiko und Nebenwirkungen". Er beschreibt die Probleme eines Arztes mit seiner an Borderline-Störung leidenden Frau, die außerdem eine extrem starke Bindung an ihre Mutter hat. Die Scheidung gelingt nach vielen Mühen und Problemen. Es gibt zwei unterschiedliche Begutachtungen über die Eignung, wie weit der Arzt nach all den Ereignissen wieder eine Arztpraxis führen könne. Zu all dem kommt es zu einem "Spuk" im Ordinationszimmer: Dinge verändern ihren Ort über Nacht, der Anrufbeantworter ändert über Nacht die Ansage etc.
 Der Autor bringt nach jedem Bericht einen rechtlichen Kommentar: Hier aber wäre eine zusätzliche Anmerkung von Seiten eines Psychologen, Psychotherapeuten, Psychiaters wertvoll. Damit könnten Fragen beantwortet werden wie z.B.: Wie kann es zwei völlig unterschiedliche Gutachten über ein-und-dieselbe Person geben? Was ist der "Spuk" im Ordinationszimmer? Vielleicht eine durch den Stress ausgelöste psychotische Phase? Was ist das Hauptproblem des Borderline-Patienten? Bzw. mit dem Borderline-Menschen?

Das Buch könnte darauf hin befragt werden, inwieweit hier und dort angefügte Anmerkungen von "Seelenexperten" - ohne den juridischen Schwerpunkt zu verändern - das Anliegen des Werkes noch besser unterstützen könnten.

Das Buch ist auf jeden Fall lesenswert. Es liest sich leicht, schildert anschaulich und beklemmend die Entwicklungen und Verwicklungen, die zur Katastrophe führen. Und es hinterlässt die innere Mahnung,  auch den "Nebensächlichkeiten" Aufmerksamkeit zu schenken! Sieht man die Arzt-Patient-Beziehung als Kooperation, dann wäre es ein zusätzlicher Gewinn, wenn Patienten nach der Lektüre sich noch mehr mitverantwortlich für den gemeinsamen  Erfolg der professionellen Partnerschaft fühlen!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
15.09.2015
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/existenz-entwicklung-tod/detail/wider-die-aerztliche-kunst-recht-und-unrecht-in-der-medizin.html
Kostenpflichtig
nein