Der nächste freie Codec?

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Geht es um Videos im Internet, kommt man am Codec H.264 kaum vorbei. Was die wenigsten wissen: kostenfrei ist dieser eigentlich nicht. Noch schwieriger wird dies beim Nachfolger H.265. Netzwerkspezialist "Cisco" will das jetzt ändern.

Wer soll das bezahlen?

Der große Vorteil von H.264 ist, dass damit komprimierte Videos bei hoher Qualität trotzdem noch so klein sind, dass man sie meist problemlos über das Internet streamen kann. Möglich wird dieser Codec aber nur, weil die Patente von dutzenden von Unternehmen Anwendung finden. All diese Unternehmen haben die Abwicklung dieser Rechtethematik an eine Institution namens "MPEG LA" abgegeben, die nun dafür zuständig ist, dass Hard- und Softwarehersteller, die H.264 bzw. H.265 verwenden wollen, dafür auch entsprechend bezahlen müssen. Zu den Unternehmen, die durch "MPEG LA" vertreten werden, zählen unter vielen anderen auch Branchengrößen wie Apple, JVC, LG, die BBC, Orange, Siemens und Thomson.

Gehts auch gratis?

Bereits 2010 startete Google in Zusammenarbeit mit Mozilla und Opera einen kleinen Angriff auf die H.264-Vorherrschaft. Unter dem Titel "V8/WebM" wurde versucht, einen eigenen, frei verfügbaren Codec auf dem Markt zu etablieren. Was sich anfangs noch gut anhörte (es wurde ja sogar geplant, V8/WebM als Standard in HTML5 zu integrieren), ging aber leider schnell nach hinten los. Elf Patentinhaber von H.264 stellten Klagen gegen Google in Aussicht, da sie ihre Patente durch die Entwicklung von V8 verletzt sahen. Anfang 2013 ruderte Google also zurück und überwies eine unbekannte Summe an MPEG LA, um die Patentinhaber zufriedenzustellen. Das Projekt konnte also weiterlaufen, der große Durchbruch blieb aber dennoch aus. Grund dafür war auch, dass MPEG LA schlussendlich zusicherte, keine Lizenzkosten für freies Internet-Streaming zu erheben. Dadurch stärkte sich die Marktsituation von H.264 aber eher, als dass sie sie schwächte.

Jetzt kommt Thor

Bei Cisco sieht die Sache jetzt etwas anders aus. Dem Hersteller für Netzwerk-Equipment waren die Lizenzgebühren für H.264 auch schon länger ein Dorn im Auge. Der gewählte Lösungsansatz war aber ganz anders als bei Google: 2013 wurde eine Implementierung erschaffen, für welche die Lizenzkosten Richtung MPEG LA von Cisco übernommen wurden. Mit anderen Worten: Cisco zahlte jährlich 6,5 Millionen Dollar an die Lizenzverwalter, um eine kostenlose Verwendung des Ablegers für jedermann zu ermöglichen. Mit dem Nachfolger H.265 wird das aber nicht mehr so einfach. Zum einen werden Lizenzen bis zu Sechzehnmal teurer. Außerdem waren die Lizenzkosten bei H.264 nach oben gedeckelt. Diese Grenze fehlt bei H.265 jedoch vollständig. Möchte Cisco seinen Weg also beibehalten, könnte das sehr schnell richtig teuer werden.

Deshalb wurde jetzt ein komplett neuer Ansatz gewählt: Unter dem Projektnamen "Thor" will Cisco eine freie Alternative zu H.265 erschaffen. Laut Cisco soll dabei von Anfang an darauf geachtet werden, dass die Entwicklung gemeinsam mit Patentinhabern vorangetrieben wird, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Bis daraus ein fertiger Codec wird (inkl. Standardisierungsverfahren, Softwareintegrationen, usw.), werden wahrscheinlich noch Jahre vergehen - der Traum, dass es irgendwann aber einen wirklich frei nutzbaren und dabei auch noch guten und benutzerfreundlichen Codec geben wird, darf aber anscheinend weiter geträumt werden.

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