Phantasievolle Methoden, um mit Angst, Wut und Stress umzugehen

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Wenn die Hausaufgaben auch nach Stunden noch nicht fertig sind und im Wutanfall enden, die Angst vor Tests und Schularbeiten schlaflose Nächte bereitet, oder negative Gefühle wie Wut und Agression den Unterricht stören, dann ist Hilfe gefragt.

Gut gemeinte Worte oder Gespräche reichen dann oft nicht aus, weil bei großer Aufregung oder extrem starken Gefühlen eine andere Gehirnregion aktiv ist als jene, wo die Sprache beheimatet ist.
Sehen Sie in den folgenden Videos, wie Eltern und PädagogInnen Kinder mit phantasievollen und überraschenden Methoden unterstützen können, mit Angst, Wut, Stress oder seelischem Schmerz souverän umzugehen! Imagination, Klopfakupressur und Entspannung sind dabei ideale Begleiter - nicht nur bei großen Problemen sondern auch im ganz normalen Alltag mit großen und kleinen Hindernissen. ;-)

3 Übungen aus dem großen Bereich der "Energetischen Psychologie"

Ingeborg Saval stellt Ihnen in den folgenden Videos gemeinsam mit Caroline Schwarz Übungen vor, die Sie jederzeit und ohne viel Aufwand im Unterricht oder zuhause durchführen können! Kinder lernen im Spiel, mit Hilfe von tragfähigen Beziehungen und in der Bewegung. Das sind 3 essentielle Bedürfnisse und diese Übungen kommen allen dreien entgegen.

Tipps zum Einsetzen der Ãœbungen:

Die Übungen sollten nur durchgeführt werden, wenn eine tragfähige Beziehung zum Kind da ist. Durch Fragen wie "Möchtest du diese Übung mit mir machen?" und das Abwarten eines klaren "Ja" entsteht Vertrauen. Dabei ist auch die "Augenhöhe" mit dem Kind wichtig und es fühlt sich ernst genommen. Der Erwachsene macht die Übungen immer mit. Das Kind bestimmt auch mit, wie lange die Übung dauert. Wichtig ist auch, dass die Übung sofort danach mit dem Kind gemeinsam auf Tauglichkeit geprüft wird. Zum Beispiel mit einer Frage wie "Spür jetzt in dich hinein... Zeig mir deine Wut, ist sie kleiner geworden? Wie groß/klein ist sie jetzt?" Durch das Skalieren des Wohlbefindens mit den Händen zeigt sich sofort die Wirkung und braucht fast keine Worte.

Die Übungen sind auch als Selbsthilfemethode bestens geeignet, sodass sie von den Kindern selbstständig (wenn sie vorher gemeinsam eingeübt wurden) durchgeführt werden können. Es ist sogar möglich, eine Wirkung nur durch die Vorstellung der Übung zu erzielen, (z.B. für Kinder mit Beweglichkeitseinschränkungen oder in der Öffentlichkeit). Natürlich muss die Übung davor gut bekannt und als wirksam erlebt worden sein. Viele der Übungen aus der energetischen Psychologie sind sowohl mit einer Gruppe, einer Klasse als auch in der Einzelarbeit einsetzbar.


Mag. Ingeborg Saval

SCHULE.AT im Gespräch mit Mag. Ingeborg Saval

Ingeborg Saval ist seit über 25 Jahren Psychotherapeutin, Pädagogin und Psychagogin in Wien. Sie arbeitet in öffentlichen Schulen und in einer eigenen Praxis. Ihr Schwerpunkt liegt in der systemischen Einzel -und Familientherapie und in der kreativen Erziehungsberatung. Vor allem unterstützt sie Kinder, Eltern und PädagogInnen mit schwierigen Situationen umzugehen und diese zu meistern.

Wir sprachen mit Ingeborg Saval über Leistungsdruck, warum Worte bei Kindern oft nicht ausreichen, wie die  Ãœbungen aus der "Energetischen Psychologie" funktionieren und wie Kinder trotz schwierigsten Lebensbedingungen trotzdem gesund und fröhlich aufwachsen können.

SCHULE.AT: Frau Saval, die Ansprüche an Erziehung und Bildung steigen, das bedeutet aber auch eine Menge (Leistungs-)Druck, der auf den Schultern unserer Kinder lastet. Was lässt Kinder stark und glücklich werden?

Ingeborg Saval: Erwachsene und Kinder haben es heute nicht ganz leicht, denn auch die Rahmenbedingungen für Erziehung ändern sich rasch. Wir sollen Kinder auf eine Zukunft vorbereiten, von der wir nicht wissen, wie sie sein wird. Die Zeit ist ungeheuer schnellebig, Ansprüche ändern sich stetig. Bildung und Ausbildung sind wichtig, gleichzeitig gehen Fachleute davon aus, dass die Kinder von heute in ihrem Leben mehrmals den Beruf wechseln werden und das lebenslange Lernen eine essentielle Anforderung darstellt, auf die die junge Generation vorbereitet werden soll.

Andererseits gehen junge Menschen mit Veränderung und neuen Situationen oft viel gelassener und kreativer um als die Generation vor ihnen, weil sie eben in dieser Zeit groß werden. Vieles, was für die Älteren Grund zur Sorge ist, sehen sie als selbstverständlich. Wichtig ist vor allem, dass man ein Kind so annimmt wie es ist. Jeder Mensch wird mit gewissen Eigenarten geboren und diese wollen auch anerkannt werden.

Wir sind eine sorgenvolle Elterngeneration. Oft machen sich Kinder Sorgen, weil sie die Sorgen der Eltern spüren. Deshalb ist es notwendig, dass Eltern eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen, dass sie Gelassenheit ausstrahlen und Zuversicht. Kinder lernen vor allem am Vorbild und nicht nur am Wort. Wenn Mama und Papa sich gerne weiterbilden, sich an Stärken orientieren und sich um einen positiven Blick in die Zukunft bemühen, dann braucht es nicht mehr viele Worte. Dazu gehört auch ein neuer Umgang mit Fehlern. Eine positive Fehlerkultur kann als Erfolgsmotor gesehen werden. Erfahrung sammelt man dann, indem man Fehler macht und daraus lernt.

SCHULE.AT: Ich darf aus Ihrem Elternratgeber "Starke Kinder" zitieren, wo Sie sagen: "Gute Worte allein reichen meist nicht aus, um Kindern bei Schwierigkeiten hilfreich zu begegnen". Was braucht es dann?

Saval: Worte reichen oft deshalb nicht aus, weil bei großer Aufregung oder extrem starken Gefühlen eine andere Gehirnregion aktiv ist als jene, wo die Sprache beheimatet ist. Sprache und Logik sind, grob gesagt im Neocortex (Broca-Areal) beheimatet während Gefühle, Emotionen und Ängste im limbischen System, in der Amygdala lokalisiert sind. Die Amygdala versteht aber keine Logik. Nehmen wir das Beispiel des Gruselfilms: Wir können uns zwar vorsagen, dass das ja nur ein Film ist, aber trotzdem gruselt es uns aber.

Unsere Kinder brauchen auch Skills und Fähigkeiten, um sich selber zu helfen, wenn sie in einer Stresssituation sind. Sie brauchen Erfolgserlebnisse aus eigener Kraft. Denn nur was ich selber schaffe, macht mich stark. Natürlich dürfen wir unsere Kinder dabei nicht überfordern. Aber wir können ihnen kleine Hilfsmittel und Techniken zur Selbsthilfe zeigen.

SCHULE.AT: Die Übungen, die Sie uns zeigen, stammen aus dem großen Bereich der "Energetischen Psychologie", die z.B. bei Stress, Ärger, Wut, Ängsten und seelischem Schmerz helfen. Wie funktioniert das konkret? Und wo werden die Übungen sonst noch angewandt?

Saval: Diese Übungen sind eine Kombination aus bewährten Therapierichtungen aus westlicher und östlicher Tradition. Die neurosomatische Stimulation ist eine Möglichkeit, emotionalen Stress wie z.B. Angst, Ärger, Wut oder Unsicherheit zu reduzieren. Das Wort "Stress" existiert in allen Sprachen. Stress blockiert, lässt nervös werden und reduziert Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit.

Ich habe diese Methoden für Kinder adaptiert und vereinfacht, sodass jeder sofort damit spielerisch arbeiten kann. Der Erwachsene geht bei dieser Methode mit dem Kind sofort in einen Beziehungskokon, denn wir Großen machen erstmal alles mit. Das ist meist die erste Neuheit für das Kind: Der Große redet nicht nur und sagt mir, was ich machen und denken soll, sondern er macht mit mir gemeinsam sofort eine Aktivität - ohne viele Worte - und fragt mich dann, ob es mir gut getan hat.

Dazu berühren wir, jeder bei sich, gewisse Körperpunkte aus der Meridianlehre. Wir berühren, klopfen oder massieren bestimmte Stellen am Körper, unter anderem neurolymphatische Reflexpunkte, oder führen gemeinsam Bewegungen aus, die sich seit langer Zeit in vielen Kulturen als hilfreich erwiesen haben.

SCHULE.AT: Gibt es diese "Hilfe zur Selbsthilfe" auch für PädagogInnen bzw. Eltern?

Saval: Das Tolle an diesen Methoden ist ja, dass wir damit etwas in Händen haben, was für jede Altersstufe geeignet ist, um das Wohlbefinden im Leben zu steigern. Diese und ähnliche Methoden und Techniken werden auch im Sport, beim Coaching oder in der Therapie angewendet. Es sind kleine Übungen mit großer Wirkung - auch bei Erwachsenen hilfreich, die Hektik, Stress oder blockierende Gefühle spüren. Also auch für Eltern und PädagogInnen als Selbsthilfe bestens geeignet!

SCHULE.AT: Wie schaffen es Kinder, die in schwierigen Lebenssituationen aufwachsen, Krisen zu meistern und trotzdem gesund und fröhlich zu bleiben?

Saval: Der Fachbegriff für Menschen, die trotz schwierigen Startbedingungen ein gutes Leben führen heißt: Resilienz. Resiliente Menschen sehen Fehler, Misserfolge oder Rückschläge eher als Lernbühne denn als Katastrophe. Sie wissen, dass auch diese Dinge zum Leben gehören und das Leben ein ständiger Veränderungsprozess ist. Früher dachte man, diese Art von seelischer Widerstandsfähigkeit wäre angeboren. Heute weiß man, dass Resilienz auch im Laufe des Lebens aufgebaut werden kann.

Was Kinder vor allem brauchen, um zu so einer Einstellung zu kommen sind sichere Beziehungen. Oder anders gesagt: Es braucht mindestens 1 vertrauensvolle Beziehung zu einem Menschen, der das Kind so annimmt, wie es ist. Wichtig ist auch das Wissen, sich auf jemanden verlassen zu können. Also Erwachsene, die ohne zu belehren, ohne eigene Sorgen auf das Kind zu übertragen, gerne Zeit mit dem Kind verbringen. Und dann brauchen Kinder natürlich Vorbilder. Kinder lernen durch Nachahmung und ein positives Vorbild weit mehr als durch viele Worte und Belehrungen. Wozu Kinder kompliziert erziehen - sie machen einem ja doch alles nach! Man darf aber den Kindern auch nicht alles aus dem Weg räumen, denn das schafft kein Selbstwertgefühl. Viel eher braucht es ein angemessenes Ausmaß an Schwierigkeiten für Resilienz. Man könnte z.B. fragen: "Brauchst du meine Hilfe oder schaffst du es alleine?"

SCHULE.AT: Wie sieht eigentlich Ihre ganz persönliche Kraft-Tankstelle aus? Was hilft Ihnen, Schwierigkeiten zu meistern?

Saval: Ich bemühe mich um eine gute Balance zwischen Bewegung und Entspannung. In der Natur schöpfe ich Kraft, im Umgang mit Tieren und auch bei Menschen, die mir wichtig sind. Statt einer Work-Life-Balance bemühe ich mich um eine ausgeglichene Energiebalance, denn ich glaube, dass sowohl eine erfüllende Arbeit als auch freie Zeit Kraft geben können.


Buchtipps:

Starke Kinder - Gezielt und fantasievoll: Methoden für selbstbewusste und ausgeglichene Kinder (Ingeborg Saval, TRIAS Verlag, 176 S., 20,60 €, ISBN: 9783830469513)

Planet Schule - Gemeinsam und unbeschwert den Schulalltag meistern (Ingeborg Saval, TRIAS Verlag, 160 S., 10,30 €, ISBN: 9783830481911)