The Extremes

"Christopher Priest, u.a. Gewinner des World Fantasy Award ("The Prestige") und des Kurd Lasswitz Best Novel Award, hat mit "The Extremes" einen SF-Roman vorgelegt, der in einem extremen (sic!) Bereich geschickt extrapoliert: dem der (scheinbar) unmotivierten Gewalt. Hungerford und Dunblane steh ...

"Christopher Priest, u.a. Gewinner des World Fantasy Award ("The Prestige") und des Kurd Lasswitz Best Novel Award, hat mit "The Extremes" einen SF-Roman vorgelegt, der in einem extremen (sic!) Bereich geschickt extrapoliert: dem der (scheinbar) unmotivierten Gewalt. Hungerford und Dunblane stehen Pate bei diesem Roman, der sich mit Serienkillern und Amokläufern beschäftigt.
Teresa Simons, Agentin des FBI, kehrt zu ihrem Geburtsort, dem fiktiven englischen Städtchen Bulverton, zurück, nachdem ihr Ehemann Andy von einem Amokläufer in Texas erschossen wurde. Aber auch Bulverton ist immer noch unter dem Eindruck der Tragödie des Vorjahres, als ein gewisser Gerry Grove Amok lief und zahlreiche Menschen ermordete.
Teresa kennt sich aus mit Amokläufern, denn als Agentin hatte sie Gelegenheit, das ExEx (Extreme Experience) Programm des FBI zu nutzen, das Agenten in ein Szenario versetzt (in einen x-beliebigen Anwesenden bei diesem Szenario), in dem sie Umgang mit extremer Gewalt trainieren können.
Teresa muss in Bulverton feststellen, dass ExEx mittlerweile so sehr kommerzialisiert wurde, dass - ähnlich wie in einem Video-Laden - ExEx jederzeit und aus unzähligen Blickwinkeln konsumiert werden kann. Verschiedene Software-Korporationen bieten einen umfangreichen Experience-Katalog, Shareware trägt zur Unübersichtlichkeit des Marktes bei.
Teresa macht sich auf die Spur von Grove und muss zusehends feststellen, dass sich auf Grund der vielen Szenarien die Realitäten zu verwischen beginnen. Schließlich nutzt sie die Verbindung, die sich zwischen Bulverton und Texas auftut... Im Endeffekt können wir nur mit Teresa über die Dauerhaftigkeit des letzten Szenarios rätseln.
Die Geschichte, die das Buch erzählt, entwickelt sich durchaus bedächtig, baut ein paar Nebencharaktere (die Hotelbesitzer etwa) und ein paar Nebenhandlungen (die Vertreter der GunHo Corporation steigen im Hotel ab) ein, die eigentlich nur der Auffettung zu dienen scheinen und keine dramaturgische Notwendigkeit besitzen. Dennoch tragen sie zur Dichte der Erzählung bei, vor deren Hintergrund explosionsartig immer wieder die Gewaltszenarien geschildert werden. Die rufen, wie zahlreiche Actionfilme, ein Gefühlsgemisch aus Abscheu und Faszination hervor - und sind im übrigen hervorragend gelungen. Priest muss wohl zahlreiche echte Szenarien studiert haben, um sie so gekonnt auf einer literarischen Ebene einzusetzen, die letztlich die virtuelle Realität in diesem Roman strukturell widerspiegelt. Gleichzeitig lässt sich der Roman natürlich als Medienkritik lesen, nämlich insofern als Gewalttätigkeit sofort medial verarbeitet und kommerzialisiert wird. Ja, Sie können Grove sein, Sie können das Opfer sein, Sie können eine Zuschauerin sein, Sie können über links von einer Erfahrung zur anderen wechseln; und Sie können vermutlich eine gewisse Faszination fürs Böse nicht leugnen.
Priest hat ein Buch geschrieben, das in seinen besten Passagen großartig ist, das in seiner Gesamtheit handwerklich gut gemacht, wenn auch nicht immer zwingend ist. Zum Thema Gewalt (und Medien) scheint es mir jedenfalls eine wichtige Lektüre"

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/the-extremes.html
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