Das (un)soziale Gehirn. Wie wir imitieren, kommunizieren und korrumpieren.
Spitzer demonstriert mit diesem Buch, dass sich die Neurobiologie von der Untersuchung basaler Sinneswahrnehmungen zu einer Erfoschung komplexer Zusammenhänge, speziell zu einer sozialen Neurowissenschaft, entwickelt hat...
Buchtitel: Das (un)soziale Gehirn. Wie wir imitieren, kommunizieren und korrumpieren.
AutorInnen: Spitzer M
Verlag: Schattauer
Erschienen: 2013
Zum Inhalt
Manfred Spitzer ist nicht nur umfassend (Medizin, Psychologie, Philosophie) ausgebildeter Fachmann für Grenzbereiche der kognitiven Neurowissenschaft, der Lernforschung und Psychiatrie, sondern auch mit der Gabe gesegnet, das Thema Geist und Gehirn trotz all seiner Komplexität einem breiten Publikum zu veranschaulichen. So hat er nicht nur Bestseller geschrieben wie z.B. Dopamin & Käsekuchen. Hirnforschung a´la carte; Das Wahre, Schöne und Gute. Brücken zwischen Geist und Gehirn; Aufklärung 2,0. Gehirnforschung als Selbsterkenntnis; er moderiert auch eine wöchentliche Fernsehsendung zum Thema Gehirn und Geist.
In seinem neuesten Werk befasst sich Spitzer mit einem breiten Spektrum. Sehr abstrahiert könnte man von einem methodischen Dreischritt sprechen, den Spitzer jeder Themenbefassung zugrunde legt: Zunächst wird das Phänomen beschrieben, dann versucht, eine Operationalisierung so vorzunehmen, dass wichtige Fragen im Zusammenhang experimentell in einer Weise beantwortet werden können, die der Neurobiologie dabei die ihr zustehende wesentliche Rolle zukommen lässt . Schließlich werden Folgerungen und Forderungen aus den Erkenntnissen abgeleitet. Mit diesem Dreischritt werden neue Erkenntnisse gewonnen und alte Erkenntnisse untermauert. Ersteres z.B. beim aufgefundenen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Schmerz, Letzteres z.B. bei den komplexen Zusammenhängen zwischen Macht und Korruption(sanfälligkeit).
Spitzer scheut sich nicht, Kritik zu äußern, dort, wo sie aufgrund der Forschungen geboten ist: Z.B. bei den Risken und Nebenwirkungen digitaler Informationstechnik, die er mit dem Wort „Digitale Demenz“ pointiert. Oder bei der ambivalenten Beziehung zwischen realen Beziehungsnetzen und virtuellen „Beziehungen“. Hier kommt er zu dem interessanten Schluss, dass Forschungen belegen: Auf Kinder hat die Suche nach Beziehungen im virtuellen Bereich eine hemmende Wirkung auf die Ausbildung realer Beziehungen (oder anders formuliert, es sieht so aus, wie wenn die leichter verfügbaren Internetkontakte gesucht würden anstelle des anstrengenden Aufbaus von Realbeziehungen). Hingegen zeigt sich eine direkte Entsprechung zwischen Realbeziehungsnetzgröße und Größe der Vernetzung etwa im Facebook bei Erwachsenen.
Zu euphorischen Berichten der Presse über die Überlegenheit bestimmter elektronischer Instrumente für die Verarbeitung neuer Informationen bringt Spitzer skeptische Anmerkungen hinsichtlich der Wissenschaftlichkeit der Argumente ein.
Spitzer demonstriert mit diesem Buch, dass sich die Neurobiologie von der Untersuchung basaler Sinneswahrnehmungen zu einer Erfoschung komplexer Zusammenhänge, speziell zu einer sozialen Neurowissenschaft, entwickelt hat, die sich mit Kommunikation, Improvisation, Konditionierung, Erinnerung, Bildungsbewusstheit und vielem anderen beschäftigt. Es spricht für Spitzers umfassende Perspektive, wenn er bei der Untersuchung von Wahrnehmungsvorgängen die Erkenntnisse des Phänomenologen Husserl heranzieht.