Forschung und Praxis der Frühpädagogik
Profiwissen für die Arbeit mit Kindern von 0-3 Jahren
Buchtitel: Forschung und Praxis der Frühpädagogik. Profiwissen für die Arbeit mit Kindern von 0-3 Jahren
AutorInnen: Leu H R u Anna von Behr
Verlag: E.Reinhardt. 2. Aufl.
Erschienen: 2012
Zum Inhalt
Die schlichte Covergestaltung umrahmt eine hochkarätige Information. Anders als viele Erziehungsratgeber werden hier nicht Empfehlungen aus der praktischen Erfahrung angeboten, sondern die Neurowissenschaft, die Säuglingsforschung, die Frühpädagogik werden befragt. 13 Autorinnen und Autoren mit weit variierenden Themenschwerpunkten ihrer Forschungstätigkeiten (Entwicklung der mentalen Sprache, des Symbolverständnisses, geschlechtsbewusste Pädagogik, frühkindliche Regulationsstörungen , prosoziales Verhalten u. v. a. m. ) geben Antworten auf wichtige Fragen wie z.B. Welches "Wissen" bringen Kinder bei ihrer Geburt mit? Ist der Mensch von Natur aus gut, oder müssen Kinder zu sozialem Handeln erzogen werden? Wie entwickelt sich Hirn in der frühen Kindheit? Was folgt aus der neueren Säuglingsforschung für die Bildungsarbeit? Wie entwickelt sich die Sprache in den ersten Lebensjahren? Welche prosozialen Verhaltensweisen finden sich bei Kleinkindern? Welche Konsequenzen hat die Genderforschung für die Frühpädagogik? Wie sind die Beziehungserfahrungen in einer öffentlichen Betreuungseinrichtung? Wie kann man Familien mit Belastungen (z.B. psychisch kranke Eltern,frühkindliche Regulationsstörungen) unterstützend begleiten? Hat sich die Qualität der Tagesbetreuung von Säuglingen , Klein(st)kindern weiter entwickelt?
Das Buch liefert viele interessante Einblicke, z.B. das Konzept kritischer und sensitiver Phasen der Hirnentwicklung, demzufolge das Ausbleiben bestimmter Erfahrungen während der Entwicklung zu nachhaltigen Schäden führen kann (Seite 30ff). Die kritischen Phasen sind Zeitspannen, während der die Erfahrungen gemacht werden müssen oder für immer verloren gehen. Das bezieht sich meist auf Sinnesleistungen. Für höhere kognitive Funktionen gibt es sensitive Phasen, diese sind aber wesentlich länger als die kritischen Phasen und nicht so unbedingt mit irreversiblen Schäden verknüpft. Der Mensch verfügt über eine hohe Anpassungsfähigkeit und setzt diese Plastizität adaptiv und kompensatorisch ein. Ein weiteres Beispiel: die kompensierende Bindungs- und Beziehungserfahrung für das Kind aus einer belasteten Familie. Damit ist ein intuitiv dialogischer Austausch mit dem Kind gemeint, der nicht primär der Frühförderung dient, sondern dem Aufbau einer sekundären sicheren Bindungsbeziehung an eine vertraute, vorhersagbare, verlässliche Bezugsperson (Seite 136).
Das Buch ist nicht nur für jene eine Fundgrube, die frühpädagogisch tätig sind, sondern für alle, die relevante wissenschaftlich gesicherte Aussagen über diese wesentlichen Entwicklungsjahre suchen. Das Buch liefert prägnante und anregende Information!