Reformpädagogische Konzepte. Geschichte und Theorie der Frühpädagogik
In drei Kapiteln wird solide, verständlich und gut strukturiert über aktuelle Diskurse betreffend elementarpädagogische Bildung und Erziehung, über Impulse für die Elementarpädagogik und über die Professionalisierung in der Elementarpädagogik informiert...
Buchtitel: Reformpädagogische Konzepte. Geschichte und Theorie der Frühpädagogik.
AutorInnen: Pfeiffer S
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Erschienen: 2013
Zum Inhalt
In drei Kapiteln wird solide, verständlich und gut strukturiert über aktuelle Diskurse betreffend elementarpädagogische Bildung und Erziehung, über Impulse für die Elementarpädagogik und über die Professionalisierung in der Elementarpädagogik informiert.
Im ersten Kapitel wird der Kindbegriff von der Defizitformel "klein ist unreif", zum Kind als Objekt erzieherischer Maßnahmen bis hin zum Kind als Akteur seiner Entwicklung erörtert. Aufbauend auf diesen anthropologischen Überlegungen wird entwicklungspsychologisch und lerntheoretisch höchst relevant auf die interaktive Erfassung der Wirklichkeit (Vorreiter Dewey), auf den konstruktivistisch kognitivistischen Ansatz (Piaget), auf die Wichtigkeit der Beziehung zwischen Kind und Erwachsenen und die Ablösung von diesen durch Übergangsobjekte (Winnicott) und auf die Bedeutung des Spielens, Gestaltens (Schäfer, Hüther) hingewiesen. Ganz wichtig wird auch die Theorie der "Neuroplastizität" genommen, die u.a. erklären kann, wie es zu erfahrungsabhängigen neuronalen Ausprägungen kommt, d.h. wie Lernen erfolgt. Dazu passt die konstruktivische Didaktik mit ihren Forderungen nach Vorrang der Beziehung vor der Sachebene, nach Praxisorientierung, nach Interdisziplinarität bzw. Multiperspektivität der Welterfassung und nach Reflexion von Bildungsprozessen. Referiert werden die Denkformate szenisch handelndes (konkretes) Denken, szenisch bildhaftes (ästhetisches) Denken, szenisch sprachliches (narratives) Denken und Anschluss an kulturelle Theorien - theoretisches Denken, Fallbeispiele belegen die Relevanz dieser Formate. Um der komplexen Erziehungs- und Förderungsaufgabe gerecht zu werden, sind Anforderungen an das pädagogische Personal zu stellen; diese reichen von fünf Handlungsfeldern (Alltagsgestaltung, Spiel, Projektarbeit, Raumgestaltung sowie Beobachtung und Dokumentation) bis hin zur Formulierung von Qualitäten (betreffend Reflexion, Handlung, Sachverständnis, Kommunikation) und schließlich einem Katalog von Qualitätskriterien, der auf Strukturqualität, Orientierungsqualität und Prozessqualität der Elementarpädagogik in Kindertagesstätten abzielt.
Im Kapitel II werden Leben und Werk von 12 Persönlichkeiten der Elementarpädagogik, Frühpädagogik bzw. (Vorläufer der) Reformpädagogik dargestellt und resümierend die Impulse für die Elementarpädagogik formuliert. Der Bogen reicht von Pestalozzi, Dewey, Montessori bis zu Steiner. Die einzelnen Namen werden mit Kurzcharakteristiken versehen, z.B. Pestalozzi: Lernen mit Kopf, Herz und Hand, Fröbel: Ganzheitliches Lernen im Spiel, Freinet: Freier Ausdruck und forschendes Lernen.
Das abschließende Kapitel III bringt viele Gedanken ein: Zur Professionalisierung und Akademisierung der Elementarpädagogik, zur Qualitätsentwicklung von Kindertagesstätten, zur professionellen pädagogischen Handlungskompetenz, zu Forschungen (z.B. zum Thema Resilienz). Der Lebenswelt der Kinder wird Aufmerksamkeit geschenkt.
"Vieles, was wir heute für richtig halten, wurde auch schon vor hundert Jahren gedacht." So ein Ausschnitt aus dem Covertext. Das Buch hält, was es verspricht und liefert dichte, kompakte Information. Einzig eines wird vermisst: Die Autorin führt an, dass richtig verstandene Didaktik auf den Anspruch verzichtet, leicht und rezepthaft zu sein (S 19). Der Rezensent meint: Sie darf auch leicht sein, aber nicht seicht. Der "heilige Ernst" der Elementarpädagogik ist als besonderes Engagement zu werten, ihr den richtigen Rangplatz in der Pädagogik bzw. Gesellschaft zu verschaffen. Die Elementarpädagogik darf aber sicher einige Farbspritzer Humor aufweisen. Ja viele sehen im Humor einen wichtigen Faktor der Resilienz und im Witz ein durchaus konstruktivistisches Vergnügen an wechselnden Deutungsrahmen. Insofern wäre einer weiteren Auflage des Buches zu wünschen, dass der homo ridens gebührende Beachtung findet! Lachen ist eine elementare Fähigkeit des Menschen, deshalb sollte die literarische Verführung zum Schmunzeln, Lächeln und Lachen nicht gänzlich fehlen. Die vorliegende Version des Buches ist aber allemal lesenswert!