Spiritualität und spirituelle Krisen. Handbuch zu Theorie, Forschung und Praxis

Auf einer Wanderung durch das Buch ergaben sich bei zufälligen Stopps interessante Einblicke und eine Demonstration der Vielseitigkeit des Werkes.

 

 

Hofmann L u Heise P (Hgs)

Stuttgart: Schattauer.

2017

 

 

 

Zum Inhalt

Die beiden Herausgeberinnen haben auf rund 5 Seiten ausführlich den Inhalt des Werkes mit den Kernaussagen der 30 Autorinnen und Autoren voran gestellt.  Hier genügt daher ein skizzenhafter Aufriss: Das Buch hat 6 Teile und einen Anhang. Der historische Hintergrund wird beleuchtet und der Kontext, in dem das Konzept der spirituellen Krise sich entwickeln konnte. Teil II befasst sich mit Modellen unterschiedlichster Art, z.B. mit der mythischen Heldenreise, einem spirituellen Entwicklungsweg. Teil III ist phänomenologisch ausgerichtet bei der Schilderung religiöser und spiritueller Probleme wie z.B. einer Glaubenskrise. Teil IV berichtet über Forschungsansätze und die besonderen Schwierigkeiten, die die Forschung im Bereich der Religiosität und Spiritualität zu meistern hat. Teil V berichtet über diagnostische und behandlungsmäßige Vorgehensweisen wie z.B. die philosophische Beratung. Teil VI beschreibt die gesellschaftlichen Implikationen z.B. von Welt-, Menschen-, Krankheitsbildern.

Auf einer Wanderung durch das Buch ergaben sich bei zufälligen Stopps interessante Einblicke und eine Demonstration der Vielseitigkeit des Werkes.
Z.B. ist das Coverbild ein sehr intensives, dynamisch-angespanntes, es weist mehr auf das Tremendum hinter dem Numinosum hin.
Das Buch ist leserlich, gut gegliedert; der Monstersatz über 20 Zeilen auf Seite IX linke Spalte untere Hälfte bleibt ein Einzelfall.
Auf Seite 35 findet sich eine Typologie religiöser Probleme: Glaubensverlust, Zugehörigkeitsänderung, neue Kulte, lebensbedrohliche Erkrankungen. Der dritte Punkt passt in dieser Form nicht, Ein Kult ist per se noch kein Problem, aber ev. seine destruktiven Unterwerfungsforderungen. Auf Seite 37 wird über die Kultwirkung diskutiert.
Auf Seite 38 werden wichtige Fragen aufgeworfen, die helfen, eine wahre Autorität von einer scheinbaren zu unterscheiden.
Seite 41 bringt den verblüffenden Hinweis, dass 75% der Amerikaner an paranormale Phänomene glauben.
Seite 189 erfolgt der wichtige Hinweis, dass in einer spirituellen Problematik wie z.B. bei intensiven mystischen Erfahrungen jeder Therapeut entsprechend seiner Schulprovenienz handeln wird.
Interessant sind die verschiedenen Ebenen (psychologisch, körperlich, sozial, subtil) der Behandlung von Kundalini-Energie-Problemen, der "Pflege des Containers" (Seite 222 ff).
Seite 301 bringt die Differenzierung des Wachbewusstseins in vier Bewusstseinszustände (Alltags-Trance, Empathie, reine Bewustseinsqualitäten, Nondualität), auf Seite 304 eine Graphik zu sechs Bereichen (Forscher, Co-Forscher, Forschungsdesign, Scientific community, öffentliche Rezeption, Modell). Die Verschränkung dieser beiden Aspekte ergibt eine Reihe von Fragen, die eine bewusstseinszustandsspezifische und kompetente Forschung sichern wollen. Die Ausführungen sind zu knapp, um eine sichere Beurteilung zu gestatten. Die Kommunikation zwischen Forschern, die einander versichern, in einem bestimmten Bewusstseinszustand zu sein, stellt sich der Rezensent eher schwierig vor. Die Idee an sich - um einen Vergleich zu versuchen -, den Ganghebel der Forschung zu bewegen, um auf eine andere Gangart umzuschalten, ist durchaus reizvoll.
Seite 333ff bringt eine wertvolle Unterscheidung zwischen Psychosen und spirituellen Krisen. Wann ist eine philosophische Beratung indiziert und was sollte sie berücksichtigen? (Seite 406ff) Der Beitrag liefert praktische, hilfreiche Hinweise.
Die Beispiele sollen genügen, um darzulegen, dass das vorliegende Buch ein breites Spektrum an spirituellen Themen abdeckt und dies auf eine anregende, spannende Art.

Was aber besonders hervorzuheben ist:  Es gibt Bücher, die den spirituellen Behandlungs-Aspekt damit legitimieren, dass sie darauf verweisen: Religiöse Menschen leben länger, sind gesünder, zufriedener. Die Befassung mit Spiritualität lohnt sich daher. Religiosität und Spiritualität werden in ihrem "um zu", ihrer Pragmatik gesehen und damit in ihrem eigenen Anliegen verfehlt.

Das vorliegende Buch atmet auf fast 500 Seiten eine Haltung des Respekts und der spezifischen Würdigung spiritueller Fragen, sodass der Eigenwert der Spiritualität jenseits von jeglicher Pragmatik sichtbar wird!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
12.10.2016
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/kommunikation-beziehung/detail/spiritualitaet-und-spirituelle-krisen-handbuch-zu-theorie-forschung-und-praxis.html
Kostenpflichtig
nein