Die Jugendtagung 2018 im Zeichen von Kryptomärkten, Infotainment & Prävention

Die Suchtprävention bzw. die Jugend- und Sozialarbeit verlagert sich immer mehr in den digitalen Raum. Dies führt zu neuen Herausforderungen der Streetworker. Bei der Jugendtagung in Linz stand daher die Digitalisierung im Mittelpunkt. Mehr als 200 Teilnehmer waren gekommen.

"Kryptomärkte, Infotainment und Prävention" - Jugendarbeit in einer digitalen Welt.

"Kryptomärkte, Infotainment und Prävention", so der Titel der Jugendtagung 2018, veranstaltet vom Institut Suchtprävention OÖ und dem Verein I.S.I. Initiativen für soziale Integration. In sechs Vorträgen und anschließenden Diskussionen wurde über die Kommunikation mit und von Jugendlichen im Zusammenhang mit Substanzkonsum sowie über das Internet als Drogenmarkt samt damit verbundenen rechtlichen Fragen informiert. Anhand eines konkreten Projekts werden Möglichkeiten und Grenzen der Jugendarbeit im Umgang mit digitalen Medien diskutiert, z.B. wie niedrigschwellige Beratung und Information im Internet implementiert werden können.

Bildquelle: Thinkstock/iStock/ipopba

Bernhard Heinzlmaier: Digitale Kommunikation verändert die Jugend

Die digitalen Medien sind heute die wichtigsten Medienquellen Jugendlicher. Primär dienen die digitalen Angebote den jungen Menschen der Unterhaltung und der Kommunikation mit Freunden und Bekannten. Die wichtigsten Plattformen sind Medien, die Bilder transportieren. Youtube, Instagram und Snapchat stehen im Mittelpunkt des Interesses. Jugendkultur findet medial im Kontext des "Iconic Turns" statt. Das bedeutet, dass das Bild die Sprache als Bedeutungsträger überflügelt hat.

Der Jugendforscher und Geschäftsführer der t-factory in Hamburg Mag. Bernhard Heinzlmaier geht in seinem Vortrag auf diese Entwicklungen (vor allem die Bildkommunikation) ein und thematisiert das Problem der Hyper Attention (Simultane Mediennutzung/hohes Stimulationsbedürfnis, geringe Toleranz für Langeweile).

Bernhard Heinzlmaier: Was sich verändern wird ist, dass sich permanent alles verändern wird.

YouTube, Instagram, Snapchat - die Kommunikation unserer Jugend verändert sich. Das Wort scheint Geschichte zu sein, alles was zählt ist das Bild bzw. die Bildsprache. Zusätzlich tritt ein neues Phänomen auf, nämlich die Hyper-Attention. "Das bedeutet, dass die Menschen ein irrsinnig hohes Stimulationsbedürfnis haben, vor allem die jungen Menschen und dass ein offener Medienkanal oft gar nicht mehr ausreicht, um dieses Stimualtionsbedürfnis zu befriedigen", so Bernhard Heinzlmaier (Geschäftsführer t-factory / Jugendforscher) über die Veränderungen, die die neuen Kommunikationsmittel mit sich bringen.

Wir haben bei der Jugendtagung 2018 mit ihm über die Gefahren und Herausforderungen hinsichtlich dieser Entwicklung gesprochen und wie sich die veränderte Kommunikation auf die Gesellschaft auswirkt.

"Was sich verändern wird ist, dass sich permanent alles verändern wird. [...] Wir werden resilient werden müssen auf die permanente Veränderung, auf die permanenten neuen Herausforderungen, auf Überraschungen [...] Die langfristige Planbarkeit war gestern. Man kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass der eigene Plan, den man hat, über 10, 15 Jahre funktionieren wird", prognostiziert der Jugendforscher die zukünftigen Entwicklungen.

Meropi Tzanetakis: Das Internet als Marktplatz für psychoaktive Substanzen

Illegaler Drogenhandel findet heute nicht mehr nur auf der Straße, im Club oder in einer Wohnung statt, sondern zunehmend über das Internet. Während über das herkömmliche Internet (Clearnet) in erster Linie Medikamente, Vorläuferchemikalien oder Neue Psychoaktive Substanzen (NPS) vertrieben werden, haben sich im verschlüsselten Internet (Darknet) sogenannte Kryptomärkte etabliert. Bestellt können sämtliche psychoaktiven Substanzen werden, wobei vorwiegend Cannabis, Ecstasy und Kokain gekauft werden.

Dr. Meropi Tzanetakis (Gastwissenschafterin am Institut für Kriminologie und Rechtssoziologie an der Universität Oslo) geht in ihren Ausführungen nicht nur auf Besonderheiten von Drogenmärkten im Clearnet und Darknet ein, sondern gibt auch Einblicke in die Kunden- und Händlerschichten auf Kryptomärkten. Zudem behandelt sie die Frage, was junge Menschen motiviert online Drogen zu erwerben. Abschließend gibt sie einen Überblick über Risiken und Chancen, die durch das neue Phänomen der anonymen Marktplätze einhergehen.

Martin Feigl: Drogen aus dem Darknet - welche Strafen drohen?

Immer mehr Menschen nutzen neue, oftmals nur scheinbar sichere Kommunikationskanäle, um sich Substanzen zu beschaffen, ohne sich der rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns bewusst zu sein. Dr. Martin Feigl ist Rechtsanwalt und Obmann des Vereins „Take your rights“. Der unabhängige Verein bietet rechtlichen Beistand im Straf-, Führerschein- und Drogenrecht. Im Vortrag geht Dr. Martin Feigl auf die rechtlichen Konsequenzen von Drogenbestellungen über das Darknet ein. Zudem thematisiert er den rechtlichen Umgang der Betreuungspersonen mit KlientInnen und klärt über die Beschuldigtenrechte auf.

Das Video, das Dr. Feigl anfangs zeigt, finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=2WSh7qf12to 

Hemma Mayrhofer: Offene Jugendarbeit in einer digitalisierten Gesellschaft

Sozialen Medien kommt eine zentrale Bedeutung für die Identitätsentwicklung und sozialen Beziehungen junger Menschen zu. Diese Veränderungen betreffen Offene Jugendarbeit unmittelbar, die breite fachliche Auseinandersetzung hierzu befindet sich in Österreich zugleich noch relativ am Anfang. Die Soziologin und wissenschaftliche Geschäftsführerin am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie Dr. Hemma Mayrhofer thematisiert in ihrem Vortrag diese Herausforderungen und legt Entwicklungsbedarfe für die Offene Jugendarbeit dar.

Fabian Reicher: Jamal al-Khatib – „Mein Weg“

Das Online-Filmprojekt „Jamal al-Khatib - Mein Weg!" ist ein multiprofessionelles, partizipatives Peer to Peer Projekt mit dem Ziel, islamistischer Propaganda alternative Erzählungen von jugendlichen Aussteigern aus der jihadistischen Szene entgegenzusetzen. Der Sozialarbeiter Fabian Reicher, der im Bereich der Ausstiegsarbeit für die Beratungsstelle Extremismus arbeitet, erzählt im Vortrag über die Ziele, den Verlauf und die Ergebnisse des Projekts.

Die vier Filme des Projekts finden Sie hier: https://www.youtube.com/channel/UCKmWuKvMLGHQ4Z0VaVjwYVQ 

Pädagogisches Begleitmaterial: www.boja.at/fileadmin/download/Projekte/Flucht_Inklusion/Jamal_al-Khatib__paedagogisches_Paket-1.pdf

Fabian Reicher: Jeder von uns ist anfällig für Propaganda

Fabian Reicher, BA ist Sozialarbeiter und arbeitet im Bereich der Ausstiegsarbeit für die Beratungsstelle Extremismus. Er initiierte das Online-Filmprojekt "Jamal al-Khatib - Mein Weg!", das ein multiprofessionelles, partizipatives Peer to Peer Projekt ist, mit dem Ziel, islamistischer Propaganda entgegenzuwirken. Im Interview sprachen wir mit ihm über Online-Streetwork, über dschihadistische Propagandavideos, über das Filmprojekt "Jamal al-Khatib - Mein Weg!" und über die Gefährdung Jugendlicher, im Internet radikalisiert zu werden.

"Jeder von uns, jeder Mensch hat irgendwann sehr verwundbare Punkte, wo er anfällig für jegliche Propaganda ist", so Reicher auf die Frage, ob es einen bestimmten Opfertypus gibt. Ein Aussteiger, ein ehemaliger Talibankämpfer erzählte Reicher, dass in seiner verwundbaren Phase jeder hätte kommen können: "Wenn ihn zufälligerweise Greenpeace angesprochen hätte, statt einem islamistischen Anwerber, dann wäre er in der Arktis und würde Wale retten".

Zum Filmprojekt: https://www.youtube.com/channel/UCKmWuKvMLGHQ4Z0VaVjwYVQ 

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