Inverted Classroom - umgedrehtes Klassenzimmer

Hemera/Thinkstock

„Flipped classroom, inverted classroom“, so lauten relativ neue Schlagworte aus dem pĂ€dagogischen Methodenbaukasten. Christian Spannagel berichtet in seiner Keynote bei der FrĂŒhjahrstagung der eLearning Clusterschulen 2013, was sich hinter diesem Konzept verbirgt.

In den USA begann man sich mit diesem Konzept bereits vor zehn Jahren unter dem Titel „Flipped Classroom“ zu beschĂ€ftigen und setzt sie auch in Schulen um. Die Idee an sich ist nicht neu und die Methode wurde von allen Deutsch- und Sprachlehrenden bei der BeschĂ€ftigung mit Literatur schon immer angewandt, nur den Begriff „inverted classroom“ gab es damals noch nicht. Den Roman, das TheaterstĂŒck als HausĂŒbung zu lesen und in der Schule darĂŒber zu diskutieren und zu analysieren ist nicht wirklich eine neue Erfindung. AuffĂ€llig ist allerdings, dass jetzt vor allem die Mathematiker diese Methode mit neuen Medien mit neuem Leben erfĂŒllen.

Vorlesungen an UniversitĂ€ten und Hochschulen bestehen in der Regel darin, dass ein Vortragender vortrĂ€gt bzw. vorliest und (womöglich) Hunderte Studierende mehr oder weniger aktiv zuhören. Das erinnert schon ein bisschen an die boshafte Definition von Unterricht: „Wenn alles schlĂ€ft und einer spricht, so nennt man dieses Unterricht“. Um genau das zu vermeiden verlagert die Methode des „Inverted classrooms“, also des umgedrehten Klassenzimmers, die Inputphase aus der Klasse in die Selbstlernphase zu Hause und aktiviert die Studierenden in der PrĂ€senzphase im Klassenzimmer. In Hinblick auf Mathematik heißt das, der Vortrag des Lehrenden an der Tafel wird einmal abgefilmt, auf YouTube hochgeladen und in der Lernplattform mit ArbeitsblĂ€ttern verlinkt. Das ist die „HausĂŒbung“ der Studierenden. Nach dieser Vorbereitung kommen die Studierenden in die (bisherige) Vorlesung und versuchen nun Aufgaben gemeinsam zu lösen, angeregt und unterstĂŒtzt durch die bisher Vortragenden.

Das immer wiederkehrende Ritual des ErklĂ€rens der gleichen Themen und Sachverhalte wird als Screencast oder Videocast ausgelagert und die Lehrenden konzentrieren sich auf die Aktivierung ihrer Studierenden und deren Problemlösungskompetenzen. Mit dem Zitat von Aaron Sams, „Brauchst du es perfekt oder am Dienstag“ verwies Spannagel auf den Charakter dieser Videos, die alles andere als perfekt sind. Wer die „HausĂŒbung“ nicht gemacht hat, sitzt aber ziemlich verloren in der PrĂ€senzveranstaltung, denn die Wiederholung der ErklĂ€rungen, die im Videocast zur VerfĂŒgung gestellt wurden, verbietet sich aus methodischen GrĂŒnden von selbst.

Ein wichtiger Teil der Aufgabe/ HausĂŒbung besteht darin alle Fragen zu notieren, die beim Ansehen des Videos aufgetreten sind, um in der PrĂ€senzphase die schwierigen Aspekte gezielt anzusprechen. So fĂŒgt es sich logisch in das Konzept, dass die folgende PrĂ€senzstunde mit einer Fragerunde beginnt. Dazu kommen verschiedene Formen des „Aktiven Plenums“ wie Spannagel das nennt. Damit sind Aktivierungsmethoden wie „Think-Pair-Share“ gemeint mit allen Variationen sowie Pro- und Kontradiskussionen, bei denen Studierende moderieren und protokollieren oder gemeinsam ein Problem lösen, wobei der Lehrende nur bei Bedarf eingreift bzw. in die richtige Richtung leitet, falls die Studenten zu scheitern drohen.

Untersuchungen der Effizienz einer Methode scheitern in der Regel am Fehlen einer entsprechenden Kontrollgruppe, aber die RĂŒckmeldungen der Studierenden sind ĂŒberwiegend positiv und die Klausurergebnisse lassen ebenfalls keine negativen Auswirkungen erkennen. Ob die zuletzt sehr positiven Klausuren auf die inverted classroom Methode zurĂŒckzufĂŒhren sind oder andere Ursachen haben, lĂ€sst sich derzeit nicht seriös belegen.

Spannagel zeigte auch Videos von Schulunterricht nach dieser Methode und Interviews mit SchĂŒler/innen, die dieser Form des selbstverantwortlichen Lernens sehr positiv gegenĂŒber stehen. Gerade im Schulkontext sind erste kleine Schritte in diese Richtung sicherlich leicht zu realisieren. Wenn man ausgewĂ€hlte Videos von YouTube oder TED.com als HausĂŒbung aufgibt, lĂ€sst sich der Zeitaufwand sehr gut abschĂ€tzen. ArbeitsblĂ€tter sind aber notwendig, denn es soll ja nicht passives „Fernsehen“ gefördert werden, sondern aktiver Input erfolgen. FĂŒr den Input mittels Film soll aber nicht ein Großteil der PrĂ€senzstunden in der Schule geopfert werden. Die Aktivierungsmethoden des „Aktiven Plenums“ lassen sich auch im Klassenzimmer entsprechend umsetzen. Dass das aber das Ende der gemĂŒtlichen „Schlafstunde“ (siehe obige Definition) einlĂ€utet, wird nicht auf einhellige Begeisterung stoßen.

Die Aufnahmen der erklĂ€renden Lehrenden im Klassenzimmer werden technologisch durchaus niederschwellig hergestellt, mitunter sogar mit dem Smartphone gemacht und nur wenig bearbeitet. Die Idee dahinter heißt einfach, ich will Zeit haben fĂŒr meine Studierenden im Klassenzimmer und die ErklĂ€rungen können im Internet immer wieder aufgerufen werden. So können sich die Studierenden unabhĂ€ngig vom Unterricht mit den Inhalten auf den Videos auseinandersetzen, unterstĂŒtzt von ArbeitsblĂ€ttern und der Gewissheit, in der nĂ€chsten PrĂ€senzstunde mit den Lehrenden alle offenen Fragen klĂ€ren zu können. Wer wĂŒnscht sich nicht derart motivierte und aktivierte SchĂŒlerinnen und SchĂŒler.

Bericht: Walter Steinkogler (eLSA & eLC Salzburg)

Spannagel: Inverted Classroom

Dr. Christian Spannagel von der PH Heidelberg stellt in seinem Referat die Methode des "Inverted oder Flipped Classrooms" vor. Die Vorlesung oder Unterrichtsstunde wird in Vorarbeit auf Video aufgezeichnet - die PrÀsenzzeit wird zur Diskussion und genauerer ErlÀuterung genutzt. Spannagl hat diese Art des Unterrichts erfolgreich erprobt und erzÀhlt von seinen Erfahrungen.