Wie Bindung gut gelingt

Das Buch gibt viele Orientierungshilfen, viele Tipps, viele Ermutigungen, es wird hauptsächlich eine Entstressung angepeilt, ebenso eine gegenseitige Beziehungsschulung


Autor: Anderssen-Reuster U
Verlag: Stuttgart Schattauer 

Erschienen: 2015

Zum Inhalt

Das Buch - entstanden aus den Erfahrungen mit der Arbeit in einer psychotherapeutischen Elternambulanz, kann als hilfreiche Begleitung für werdende Eltern, aber auch als nützlicher Ratgeber bei Problembeziehungen zwischen Mutter (Beziehungsperson) und Kind eingesetzt werden. Die Bindung, um die es in dem Buch geht, ist eine biopsychische instinkthafte Überlebenshilfe für das Neugeborene. Der Lebensanfänger braucht jemanden, der es beschützt, versorgt. Bindung kann relativ störungsfrei erfolgen oder verschiedensten Störungen ausgesetzt sein. Bindung bestimmt die Beziehungsqualität auch im Erwachsenenalter. Das Buch beschreibt die verschiedenen Bindungstypen, vom sicheren bis zum diffusen.
Die  Orientierungshilfe erfolgt in 11 Kapiteln:  Schwangerschaft (Frohes Erwarten, das Paar, das Wunschkind, Krisen in der Schwangerschaft), Geburt und Wochenbett (hier werden auch die sechs wichtigsten seelischen Belastungen  nach der Geburt angeführt: Wochenenddepression, Angst. und Zwangstörungen, Wochenbettpsychose, Suchterkrankungen, Störungen der Gefühlsregulation, chronischer Stress). In dieser Phase findet der wichtige Abstimmungsprozess zwischen Mutter und Kind statt. Die weiteren Kapitel sind: Die Gehirnentwicklung des Säuglings (hier geht es um die wichtige Balance zwischen Anregung und Entspannung), intuitives elterliches Verstehen, die Bindung zwischen Eltern und Kindern (es werden nicht nur kindliche Bindungstypen beschrieben, sondern auch solche von Erwachsenen), Gespenster im Kinderzimmer (gemeint sind intensive Erinnerungen, frühe "Bilder"), kindliche Regulationsstörungen, sich mit dem Kind verständigen, was tun bei Hochstress, die Gespenster vertreiben (hier erfolgen u.a. wichtige Hinweise auf die Säuglings-Kleinkind-Eltern-Psychotherapie), Achtsamkeit im Alltag mit Kindern (mit der interessanten Unterscheidung zwischen nach innen und nach außen gerichteter Achtsamkeit).
Das Buch ist aus einem Guss, es informiert sachlich und unaufdringlich, zugleich in einer engagierten, emotionalen Weise, die die hilfreichen Informationen an das Zielpublikum heran bringt. Die Illustrationen weisen eine interessante Bipolarität auf: Einerseits gibt es bunte, eindringliche Darstellung von Szenen, die Figuren in puppenhaft kräftigen Farben und nostalgischer Struwelpeter-Bilderbuchartigkeit; andererseits - bei den Übungen -  gibt es zarte Schwarz-Weißgrafiken, die die Achtsamkeit bewusst machen.

 Anmerkungen seien dem Rezensenten gestattet:

1)Auf Seite 55 schreibt die Autorin:"Kinder können zu verschiedenen Bezugspersonen Bindungen entwickeln".  Das ist eine wichtige Aussage, weil die Bindungsliteratur von der Mutter-Kind-Dyade ausgeht, damit aber aus der Komplexität der Beziehungen nur ein Segment herausschneidet. Ein zusätzlicher mutiger Schritt wäre es, meint der Rezensent, von "Bindungsatmosphäre" zu sprechen  und damit das Geflecht unterschiedlicher Bindungen zu den unterschiedlichen Personen einer Familie abzubilden.

2) Auf Seite 143 meint die Autorin: "Immer wieder muss man dabei aufpassen, dass man nicht in die Bewertungsfalle rutscht ".  Dieses nichtwertende Verhalten, Wahrnehmen  ist ein ganz wichtiges Konzept in der asiatischen Meditation. Es erhebt sich allerdings die Frage, ob dieses Nichtwerten wirklich den Nabel der Gegenwartsproblematik trifft , sind nicht viele junge Menschen ohne Sinnhorizont,  erleben wir nicht gerade eine Phase des nihilistischen Liberalismus?Der Rezensent plädiert für Wertorientierung, Engagement, Wertverwirklichung. Die wertfreie, d.h. bewertungsabstinente Haltung sollte in der Meditation ein "<innehalten" sein, das nachher ein umso tieferes "Einatmen" ermöglicht.

3) Ob man wie die Autorin glaubt, dass Videos das Unbewusste sichtbar machen können?  Sicher kann man beobachten, wie manche Aktivitäten ablaufen, ohne dass der Bewegungsablauf in allen Einzelheiten bewusst vollzogen wird. .   Freilich kann man interessante Details beobachten und sie einer Bedeutungsanalyse unterziehen.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Man Man muss aber unter scheiden zwischen einem  motorischen "Automatismus" und einem latenten Lebensmuster.

Das Buch gibt viele Orientierungshilfen, viele Tipps, viele Ermutigungen,   es wird hauptsächlich eine Entstressung angepeilt, ebenso eine gegenseitige Beziehungsschulung, Einfühlung), es werden hilfreiche Prozesse angesprochen wie Containing; es werden unterschiedlichste Maßnahmen bei konflikthaften (die Erklärung wäre hier etwas "fülliger" sinnvoll), strukturellen (auch hier ist die Erklärung etwas schmal und könnte erweitert werden) und traumabedingten Störungen (gute Beschreibung) dargestellt.

Bindung gelingt - die Autorin schöpft merkbar aus einer vielfältigen Erfahrung, ihre Ratschläge sind durch Praxis geerdet und heben nicht von der Realität der Durchführbarkeit ab, ihre Art, die Leser anzusprechen ist angenehm, respektvoll, auf gleicher Augenhöhe!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.10.2015
Link
https://pup.schule.at/portale/psychologie-und-philosophie/news/detail/wie-bindung-gut-gelingt.html
Kostenpflichtig
nein