Wie Mondrian Ihr Leben verändern kann. Die neue Einfachheit.

Die Autorin ist Kunsthistorikerin und nach eigenen Angaben immer schon interessiert an der Vereinfachung der Lebensgestaltung. Als prominente Botschafter und Promotoren ihres Anliegens wählt Horn eine beeindruckende Schar von Protagonisten.

Autor: Helene Horn
Verlag: Weinheim Basel Beltz
Erschienen: 2014 

Zum Inhalt

Die Autorin ist Kunsthistorikerin und nach eigenen Angaben immer schon interessiert an der Vereinfachung  der Lebensgestaltung.  Als prominente Botschafter und Promotoren ihres Anliegens wählt Horn Nofretete  (hier setzt sie sich assoziativ angeregt durch die überzeitliche Schönheit der Büste mit der Konstruktion und Lebensqualität der Zeit und ihren verschiedenen Aspekten auseinander), Mondrian ( er steht für das Bestreben, durch Reduktion und Konzentration auf das Wesentliche zu stoßen), sowie Warhol (der indirekt die schillernde Konsumoberfläche hinterfragt),  Koons ( der einen Rekordwert für eine seiner Skulpturen erzielte, was die Beziehung zwischen Kunst und Wirtschaft, Ressource, Markt  bewusst macht),  Fellini (der in seinem Film "La dolce vita" die Sinnleere der Reichen demonstriert), Chaplin (der gegen die Entmenschlichung der Arbeit ankämpft), Westwood  (die mit ihren Kreationen die Mode als Beziehung zwischen dem Innen und Außen bewusst macht), Monet (der mit seinen stimmungsvollen Impressionen die Naturbegegnung in der Freizeit propagiert), Beuys (der die Stadt nicht nur verwalten lassen will, sondern auch "verwalden"), Adria (der mit Nahrungsmitteln experimentiert und die Autorin zu Assoziationen wie "Bienenzucht auf der Dachterasse" bringt), Strawinsky (der durch seine ungewöhnliche Bewegungen stimulierende Musik die Autorin zu Fragen der Mobilität überhaupt anregt) - eine beeindruckende Schar von Protagonisten! Horn schneidet viele Themen an, z.B. share oeconomy (gemeinschaftliches Nutzen von Einrichtungen, Ressourcen); downshifting (das Runterschalten in allen Lebensbereichen nach dem Motto "weniger ist mehr");  upcycling (das Erzeugen von qualitativ Hochstehendem aus Abfall); weiter die Ausrichtung des Handelns nach den Maximen: Selbermachen, Reparieren, Tauschen, Leihen und Borgen, Reduzieren etc.;  daneben gibt es mutige (vielleicht auch "romantische" ) Ideen  wie Bienenzucht am eigenen Dach oder einer Terasse, Grünanpflanzung auf Dachgärten,  Bücher verschenken, platzsparende e-books statt print-Ausgaben, luftige Wohnungseinrichtung mit viel Platz "dazwischen"; ganz im Augenblick aufgehen, u. noch v. a. m.

 Einige Anmerkungen seien gestattet.

 Manche Formulierungen sollten "nachgeschliffen" werden, z.B. "Devise: Rhythmus statt Tempo" (Seite 19) - Rhythmus und Tempo sind keine Gegenspieler; vielleicht ist gemeint: Es geht nicht nur um das Tempo, sondern darum, im Rhythmus zu bleiben!"
  "Emotional: Die Gefühle sind aufmerksam" (Seite 26) - Gefühle sind nicht gleichzusetzen mit dem Aktivierungsgrad des Bewusstseins. Vielleicht ist gemeint: "Wir achten auf unsere Gefühle!"

Manches ist bei aller "Simplify"-Orientierung doch zu einfach formuliert, z.B.:" Formulieren Sie einen Zielzustand, der ihnen nach innen Orientierung gibt. Denn Ihre Vorstellung vom eigenen Leben motiviert Sie. Danach handeln Sie." (Seite 30) -  So einfach geht das also? 

 Manches ist zu "romantisch" gedacht, wie z.B. "Es ist der Leerraum zwischen den Dingen, der Atmosphäre ausstrahlt" (Seite 56) - bei Luxuswohnungen mit üppiger Wohnfläche durchaus realisierbar, aber sonst? Ob sich die Autorin bei ihrem Vorschlag der Dachgartenpflege der elitären finanziellen Aufwendungen für einen Dachgarten, geschweige denn für eine Dachwohnung  bewusst ist?

 Manches ist nochmals zu überlegen,  "Dinge geben keine Liebe und kein Glück" (Seite 48) - diese Aussage übersieht, dass wir nicht an den Dingen an sich hängen, sondern an dem, was sie symbolisch verkörpern. Dinge bedeuten uns etwas. Die sogenannte Kultivation besagt , dass wir uns mit Dingen umgeben, die uns auf bestimmte Weise ansprechen oder  ausdrücken. Die Symbole wirken ihrerseits wieder zurück auf uns. So kommt es zu einer identitätsfödernden Auseinandersetzung.

 Beim Sharing wird richtiger Weise auf den Rebound-Effekt hingewiesen ( wenn Produkte und Dienstleistungen billiger werden, kann dies u.U. nur eine Verschiebung des Konsumverhaltens auf andere Produkte oder Dienstleistungen mit sich bringen (Seite 76). Was übersehen wird von der Autorin ist, dass eine Preis-Abwärtsentwicklung auch ohne Rebound problematisch sein kann, nämlich in eine Deflation führen kann.

 Die an mehreren Stellen , insbesondere  auf Seite 202 erhobene Forderung nach Augenblickszentrierung  "vollkommene innere Befreiung ist die Folge: Es gibt nichts zu erreichen, nichts zu tun, nichts zu besitzen." ist durch Lebensziele, Pläne, durch  das Prinzip Hoffnung zu ergänzen, insbesondere auch für leidende Menschen, denen die Beschränkung des Erlebens auf den Moment unerträglich ist.

Grundsätzlich ist zu hinterfragen, inwieweit und wann ein Mensch als exemplarisch gelten darf. Die Promotoren in diesem Buch sind außergewöhnliche Menschen - soll  man ihnen nacheifern, kann man sich mit ihnen messen, ist ihr Weg der unsere? Wird ihnen die auf einen bestimmten Aspekt fokussierte Zitation gerecht?

 Es gibt noch einige Auseinandersetzungspunkte zum Besprechen - aber weniger ist auch hier mehr.

 Jedenfalls ist das Buch von Horn eine umfassende, anregende Lektüre, und nachhaltig: Die Ideen und somit die Chancen für eine Ausrichtung nach dem Wesentlichen fallen einem in entsprechenden Alltagssituationen immer wieder ein!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
30.07.2014
Link
https://pup.schule.at/portale/psychologie-und-philosophie/news/detail/wie-mondrian-ihr-leben-veraendern-kann-die-neue-einfachheit.html
Kostenpflichtig
nein