Evaristos lose zusammengehaltener Roman erzählt das Schicksal von 12 Frauen unterschiedlichsten Alters, unterschiedlichster Herkunft, 11 von ihnen sind ‚women of colour‘. Ein paar Männer kommen auch vor, doch die wenigsten haben eine Stimme, sperm donor Roland vielleicht ausgenommen. Aber es heißt ja auch: „life’s so much simpler for men, simply because women are so much more complicated than them” (p. 423).

Im Zentrum steht Amma, schwarz, lesbisch, radikal; sie inszeniert ihr Stück „The Last Amazon of Dahomey“ am National Theatre, und alle zittern mit, ob es ein Erfolg wird. Die Party am Ende des Romans wird es zeigen. Dort finden sich viele Frauen ein, die mit Amma in irgendeiner Weise verbunden sind und die mit ihr mitfeiern wollen. Ihre einstige Geliebte Dominique, ihre Tochter Yazz (von Rolands Samen), ihre Freundin Shirley (eher proper), die non-binary Bloggerin Morgan, die erfolgreiche Carole, die ihre Herkunft hinter sich gelassen hat etc.

Wie gesagt, zwölf Lebensschicksale werden uns vorgeführt, und wir werden dabei von 1895 bis zur Gegenwart mitgenommen, wir sind in London und Barbados, in Nigeria und in Cornwall, wir teilen Geheimnisse, Leid und Freude.

Tatsächlich bietet Evaristo solch ein Panoptikum, dass man sich fast darin verloren fühlt; und auch wenn es eine Welt ist, von der viele LeserInnen nur vom Hörensagen wissen. leidet man mit und freut sich mit. Dabei ist es nicht ihre Absicht zu sagen: Schaut her, so geht es den traditionell Unterdrückten, sondern das sind einfach alles unverwechselbare Stimmen, die sich nicht rechtfertigen müssen und nicht in Vertretung von Gruppen stehen. Dass zwölf Lebensgeschichten einfach spannend sind, versteht sich von selbst, aber Evaristo hat auch einen mitreißenden, vielfach absatzlosen Stil, der eher dahinfließt oder mäandriert und seinen eigenen Zauber entfaltet. Wer sich für Gegenwartsliteratur interessiert, darf an diesem Buch nicht vorbeigehen.

pp. 452