Mein Enkel war gleich mal enttäuscht, dass es hier keine Katniss gibt (außer der Erdäpfelsorte ‚katniss‘), aber wer diese Enttäuschung überwinden kann, der wird mit einer großangelegten Ballade von Coriolanus Snow und Lucy Gray Baird belohnt, die theoretisch noch eine Fortsetzung finden könnte.

Mit dem jungen Snow, der Lucy bei den 10. Hunger Games als Mentor betreut, lernen wir einen ehrgeizigen, wenn auch verarmten Sohn einer einflussreichen Capitol-Familie kennen. Snow gelingt es, Lucy, die eine begabte Sängerin ist, massiv bei den Games zu unterstützen (wie, will ich nicht verraten), und eine Karriere scheint ihm sicher. Das Problem ist natürlich, er hat sich in Lucy, die aus dem 12. Distrikt kommt, verliebt. Und er hat es auch verstanden, die Gamemakerin Dr. Gaul zu irritieren, sodass er sich (Spoiler!) plötzlich selbst im Distrikt 12 wiederfindet, gemeinsam mit seinem Freund Sejanus, der aus dem 2. Distrikt stammt und natürlich nie ganz ebenbürtig sein kann.

Ich will nicht zu viel vom Inhalt verraten, damit Sie die Spannung genießen können; das kann Collins nämlich, Spannung aufbauen, beibehalten, durchatmen lassen, Spannung aufbauen. Das Buch ist tatsächlich eine lange Ballade, voll Liebe, Trauer, Verrat und Tod – wie es sich nämlich für „das Urei der Dichtung“ gehört.

Viel zum Grundton tragen die zahlreichen eingestreuten Lieder und Gedichte bei, u.a. eines von Wordsworths Lucy-Poems.

In meiner Ausgabe ist auch ein Gespräch zwischen David Levithan und Suzanne Collins abgedruckt, in dem Collins die unterschiedlichen philosophischen Positionen des Romans erklärt und wie sehr Hobbes, Locke und Rousseau und Shakespeares „Coriolanus“ Pate gestanden sind. Das wird den jugendlichen Leserinnen und Lesern weniger wichtig sein, werden sie doch einfach mit einem aufregenden und komplexen Abenteuer belohnt.

pp. 517 | 5. Klasse