Godsend

Autor WRAY, John

Verlag New York: Farrar, Strauss & Giroux 2018

Schade, dass Wray seinen Wien-Termin ausgelassen hat, das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, diesen interessanten Autor mit österreichischen Halbwurzeln kennenzulernen. Wray hat mit „Godsend“ eine Art Bildungsroman der depressiven Sorte geschrieben, zumindest aus meiner Sicht.

Aden (18) verlässt mit ihrem Freund Decker (einem Paschtunen) Kalifornien, um – wie sie ihrem Vater sagt – in den Emiraten den Koran zu studieren. In Wirklichkeit reisen die beiden nach Peschawar und von dort in ein Lehmhüttendorf an der Grenze zu Afghanistan. Sie schließen sich einer Koranschule (Medrasa) an, wobei ein durchaus gütiger und umsichtiger Mullah für Lehre und Gebet sorgt. Aber anders als Decker will Aden mehr: Sie will über die Grenze, um am Jihad der Taliban teilzunehmen. Das ist für ein Mädchen natürlich unmöglich, und so hat sie schon vorher beschlossen, ein ‚bacha posh‘, ein Mädchen in Jungenkleidern zu werden, eine in Teilen Afghanistans und Pakistans durchaus übliche Kulturpraxis. In der Madrasa erhält sie den Namen Suleyman, und auch wenn sie bisweilen wie ein Lustknabe wirkt, so zeichnet sie sich doch durch religiöse Strenge, Selbstdisziplin und Ausdauer aus.

Als sie und Decker endlich nach Afghanistan gelangen, sind sie dort nicht unbedingt willkommen. Da hilft es auch nicht viel, dass Ziar Khan, der Sohn des Mullah, sie unter seine Fittiche nimmt. Desungeachtet – Aden/Suleyman ist auf der Suche nach dem gottesfürchtigen Leben (oder Sterben?), aber wir ahnen es bereits: So einfach ist es nicht, als ‚bacha posh‘ in der ‚gottverlassenen‘ Kriegsgegend zu reüssieren.

Was treibt Aden? Die religiöse Leere? Der Irrglaube? Die Kampfeslust? Die Suche nach – ja wonach. Erfüllung vielleicht, aber die hätte sich auch im Gebet finden lassen, möchte man meinen. Immerhin sieht sie die Welt auch als Erfüllte:

“She had the sense of something massive rushing toward her, something heavenly and final, and felt serene and wide awake and filled with faith. Morning prayer had always been dearest to her and she knelt and touched her forehead to the night-cooled ground and listened to the iman call the whole world into being.”

Aber offensichtlich reicht das nicht. So können wir miträtseln, warum sich eine junge Amerikanerin im Jahr 2001 dermaßen radikalisiert, dass sie von den einzig wahren Gläubigen spricht. Manche meinen, Wray wolle mit dem Roman auch 9/11 verstehen, aber ehrlich: Wer kann schon religiöse Fanatiker verstehen? Noch dazu, wo gegen Ende des Romans mehr Geilheit als Gott regiert. Aber als eine exzellent geschriebene Darstellung einer ziemlich fremden Welt (für mich zumindest) kann ich das Buch mit Nachdruck empfehlen.

pp. 228

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.03.2019
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/detail/godsend.html
Kostenpflichtig
nein