Werkerziehung 2000

Uta Belina Waeger: Werkerziehung 2000
Dieser Artikel über Textiles Werken gilt genauso für Technisches Werken.

WERKERZIEHUNG 2000

 

Mag. Art. Uta Belina Waeger, M.F.A.

 


(Zu meiner Person:


Magisterium an der Universität für Angewandte Kunst in Wien,


Graduate Studium/Master of Fine Arts am Pratt Institute in New York.


Sowohl als Kunst- und Werkerzieherin am BG Dornbirn und an PA Feldkirch,

als auch als bildende Künstlerin – Sparte: Objekt und Installation

– tätig.)


 


 

Im April d. J. habe ich , dzt. Leiterin der Abteilung Textile Werkerziehung

an der PA Feldkirch, zu einer


Fachtagung mit Ausbildungslehrgang für Textile WerkerzieherInnen


geladen.

Themen wie


ZUKÜNFTIGES FACHPROFIL


ETABLIERUNG DES FACHS nach innen und außen


AUSBILDUNG FACHDIDAKTISCHE ASPEKTE DER SCHULPRAXIS


PRÜFUNGSANFORDERUNGEN standen auf der Tagesordnung.


 

Im Folgenden möchte ich zum Gedankenaustausch über das zukünftige

Fachprofil und die Etablierung des Fachs in der gegenwärtigen Gesellschaft

anregen.

Ausgangspunkt waren und sind die alarmierend niedrigen StudentInnenzahlen

im Bereich Werkerziehung der PA.


Gründe dafür scheinen vielfältig. Tatsache ist,


- dass die Erinnerung angehender StudentInnen an die Werkerziehung

in VS/HS/Gymnasium eher schlecht - da meist als zwanghaft und uniform empfunden

- ist,


- dass dieses Fach mit dem jahrelangen Abstand zum letzten Ausbildungsjahr

in der Unterstufe gänzlich in Vergessenheit geraten ist,


- dass dem Fach WEX in den Köpfen vieler (junger) Menschen immer

noch der Nimbus der „Handarbeit“, damit des Gebastelten und des Hausfrauen-Hobbies,

anhaftet,


- dass der Stellenwert des Selbstgemachten generell in der öffentlichen

Meinung kein besonderer ist,


- dass Billiganbieter im Sektor Kleiden bzw. Wohnen preislich außer

Konkurrenz stehen,


- dass Werkerziehung  - glücklicherweise – mit hoher Arbeitsintensität

und Leistungsanforderung gekoppelt ist und


- dass keine Lobby, damit  mediale Unterrepräsentation besteht.

Statement:

Der ökonomische „mainstream“ zielt (ausschließlich) auf Gewinnmaximierung

ab, legt aber auf nur indirekt messbares, prozesshaftes, ganzheitliches

Lernen, wie es in der Werkerziehung möglich ist,  kaum nachhaltig

Wert. Die Gefahr dabei ist, dass sich die Wirtschaft zusehends selbst berechtigt,

der Schule Vorschriften zu machen (vgl. Erpressung mit Arbeitsplätzen;

Werbung und Sponsoring, wo staatliches Bildungswesen bankrott ist). Sie

erwartet „brauchbares, nützliches“ Wissen, „anwendungsorientierte“

Fähigkeiten, Flexibiltät und „Lebenstüchtigkeit“. Genau

hierin liegt das Potenzial der musischen Fachgebiete, die rechte mit linker

Gehirnhälfte  kombinieren, dh. zum ganzheitlichen Lernen bzw.

Erfahren und Erkennen anregen.

Alle Pädagogen sind aufgerufen, ein klares Nein zur Vermarktung

und Funktionalisierung von menschlichem Lernen auszusprechen. Sich bilden

heißt sich fragend zur Umwelt verhalten. Lernen möge als 

e i g e n e  Sache und als Investition in die  p e r s ö

n l i c h e  Zukunft begriffen werden, um mit eigenen Beinen, wenn

nötig, auch außerhalb der jeweiligen gesellschaftlichen Norm,

stehen zu können.

Wenn sogenannte „Selbsterfahrungskurse“ unterschiedlichster Ausprägung

stressgeplagte Kopfmenschen mit praktischem Tun bzw. Werken an Wochenenden

gegen teure Bezahlung zum seelischen Ausgleich aufrufen, dann bietet die

WEX/T an Schulen dieses Angebot im gesamten Fächerkanon sozusagen

Frei Haus an. Einziger Unterschied: in der Schule ist die Verbindung von

„Kopf - Herz – Hand“ ein wöchentliches Muss und wird benotet!


 

Was kann die Schule bzw. die Pädagogische Akademie, die zukünftige

Lehrer ausbildet, tun?

Der Ausweg aus dem Dilemma wäre ein erweitertes Lehr-Modell, das

bestehende bzw. ältere deutschsprachige Konzepte zur Grundlage hat.


(vgl. ÄSTHETISCHE  ERZIEHUNG / KULTURELLE BILDUNG, LINZER

bzw. SALZBURGER KONZEPT, MEHRKOMPONENTENMODELL,


METHODENPLURALISMUS/WISSENSCHAFTSORIENTIERUNG, NORDRHEIN-WESTFÄLISCHES

KONZEPT)

.


 


 


TEXTILES    GESTALTEN   UND   

WERKEN

als

GANZHEITLICHE,  ÄSTHETISCHE  UND  (INTER)KULTURELLE 

BILDUNG

mit

BILDUNGSZIELEN  AUS  UMFASSENDER  PERSPEKTIVE

und

THEORETISCHEN UND    PRAXISBEZOGENEN


FACHWISSENSCHAFTLICHEN


INHALTEN

 





LEITSATZ:

Elementares TUN mit (textilen) Werkstoffen im experimentellen, forschenden

Prozess befähigt den/die (textile(n)) GestalterIn zum elementaren

SEIN durch

- Fachkompetenz


(- Sachkompetenz: Grundwissen, -kenntnisse, historisches Bewußtsein, 

Fähigkeiten, Fertigkeiten, Bereitschaft zu Reflexion  und Weiterbildung


- Pädagogisch-didaktische Kompetenz: als Vorbild begleiten, beraten,

Weg öffnen, Impuls geben, koordinieren und entscheiden helfen, zum

(Qualitäts-) Urteil hinführen)

- Selbstkompetenz  (Selbstsicherheit, psychische Stabilität,

Individualität, Flexibilität und   (offene) Haltung,

Eigenverantwortung)

- Sozialkompetenz  (personale Zuwendung mit emotionaler Komponente,

Beziehungs- und Dialogfähigkeit)


 

Wichtig dabei sind stetige

- MULTISENSORISCHE  WAHRNEHMUNGSSCHULUNG  (kognitiv, affektiv)


- REFLEXION und


- EVALUATION,

um den angehenden Pädagogen zu befähigen - mittels (wählbarer)

Methodenvielfalt - Wege von der klassischen Mädchenhandarbeit zur 

ZEITGEMÄSSEN  ÄSTHETISCHEN  GESTALTUNG bzw. UMFASSENDEN

BILDUNG  zu finden.

Erste Schritte zur Etablierung des Faches WEX/T im Fächerkanon

der PA sind


Aufklärungs- u. Öffentlichkeitsarbeit nach

innen:


- Erstellen eines Fach-Portfolios (zur Präsentation bei: Tag der

offenen Tür,  persönliche   Anfrage)


- Ausstellungstätigkeit an PA


- Beteiligung an Projekten, Veranstaltungen (Interdisziplinär;

in A und EU...)


- Themenvorstellungen (Bspw. gemäß Jahresablauf)


- Öffnung einer praktischen Unterrichtseinheit für fachfremde

Lehrer u. a. Studierende


- Teamteaching (Bsp. BE/WET, Germanistik/Anglistik und WEX)

außen:


- Zutritt zum Unterricht oder Präsentation beim Tag der offenen

Tür/ Tag der „Kultur“


- Anbringen von Werbungsfoldern am schwarzen Brett der AHS/BHS


- Lancieren von aktuellen Berichten in den Medien


- Ausstellungen in Betrieben, Banken (fach-, themenspezifisch) o.ä.


- Ausschreiben von Wettbewerben


- (Sichtbarmachen der) Kooperation der PA mit den Pflichtschulen


- etwaige Zusammenarbeit mit Handwerk und Industrie.


 

Zusammengefasst lässt sich konstatieren:

Die (Textile) Werkerziehung kommt nicht umhin, die stetige Herausforderung

der Zeit anzunehmen und das Ziel der ästhetischen Erziehung und kulturellen

Bildung permanent vor Augen zu halten. In der Praxis bedeutet dies wiederum,

eine Verbindung zwischen gegenwärtigen jugendlichen Erfahrungen, gesellschaftlichen

Anforderungen und der kulturellen Dimension der (textilen) Lehr- und Lerninhalte

herzustellen, was oft einem akrobatischen Spagat gleichkommt, aber mit

entsprechendem Weitblick und Engagement bewältigbar ist.

Ergo: Mut zu selbstbewusstem Handeln!


 


 


 

uta.waeger.bgd@schulen.vol.at

Mag. Uta Belina Waeger, M.F.A


28.10.2000

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
21.06.2004
Link
https://tew.schule.at/portale/werken-technisch/rahmen-bedingungen/fachkonzepte/detail/werkerziehung-2000.html
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