Deutsche Sprache spielend lernen

Das Buch ist eine voll bestückte Fundgrube, es erzeugt Respekt vor der wunderbaren Architektur der Sprache und vor der gewissenhaft umfassenden Wissensvermittlung der Autorinnen!

Buchtitel: Deutsche Sprache spielend lernen
AutorInnen: Hahnemann S und Philippi 
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Erschienen: 2013

Zum Inhalt

Hahnemann ist Sprachwissenschaftlerin, die im Vorjahr verstorbene Co-Autorin Philippi wird als Linguistin bezeichnet (ob die andere Bezeichnung ein stilistisches Spiel mit Synonymen ist  oder eine praktische Bedeutung hat, war nicht eruierbar): das gemeinsame Anliegen ist es jedenfalls, die Ordnung und Struktur der Sprache aufzuzeigen und sie als Regelsystem der Mathematik zur Seite zu stellen. Dieses Wissen um die Ordnung der Sprache wird offenbar als beruhigend empfunden: Sprache hält sich an Regeln und Regeln werden leichter erlernt.

Alle klassischen Kategorien der Sprachwissenschaft werden in sechs Kapiteln erläutert, ihre Überschriften lauten dementsprechend: Phonetik und Phonologie, Graphemik, Morphologie, Syntax, Semantik, Pragmatik. Bei jeder Kategorie wird dargestellt, welche Relevanz sie für den (Schrift-)Spracherwerb besitzt und dann werden Spiele zum Erwerb der entsprechenden sprachlichen Kompetenzen vorgeschlagen.

Das Buch liefert durch die klare Ausdrucksweise eine hervorragende Begriffsvermittlung, die einzelnen Bereiche werden akribisch entfaltet, viele Abbildungen erleichtern das Verständnis. Gerade wegen dieser Präzision macht die Bezeichnung der Co-Autorin als Sparringpartner (S.12) neugierig: Welche Auffassungsunterschiede gab es?

Ganz anschaulich werden auch die Probleme jener Kinder dargestellt, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben- und andere Regeln. Von deren Eigenheiten sollten alle Sprachlehrenden Kenntnis besitzen, wenn sie Deutsch als Zweit- oder Drittsprache unterrichten.

Faszinierend ist der schon oben angeführte Dreischritt-Aufbau der Kapitel: Erläuterung eines sprachwissenschaftlichen Konzeptes, Aufweis der Wichtigkeit und in einem eleganten Wechselschritt die Operationalisierung für die pädagogische Arbeit. Die Spiele werden zumeist aufgeschlüsselt nach Zielsetzung, Material und Verlauf.

Die Autorinnen gehen offensichtlich von zwei Voraussetzungen aus: a) die vorgeschlagenen Spiele fördern die entsprechende Kompetenz und b) Sprache lässt sich deduktiv erlernen. Ad a) führen die Autorinnen ins Treffen, dass die Spiele erprobt wurden (freilich ist damit nur gesagt, dass die Spiele gespielt werden können und es wird nicht mitgeteilt, ob sie die Konzepte so operationalisieren, dass ein Kompetenztransfer stattfindet, mit anderen Worten: Es war noch nicht möglich, evaluative Ergebnisse mitzuteilen. Die Spiele besitzen aber auf jeden Fall eine hohe Plausibilität und logische Validität. Andererseits hat der Rezensent bei etlichen Spielen den Eindruck, dass die Spiele ein eher sehr hohes Anforderungsniveau besitzen). Ad b) erhebt sich die Frage: Ist Sprache tatsächlich kognitiv-deduktiv erlernbar oder eher emotional-induktiv? Durch Regelanwendung oder Nachahmung? Im Bausteinprinzip oder organisch wachsend?  Die Autorinnen werden vielleicht sagen: Beides gilt jeweils! Und sie werden drauf verweisen, dass der Aufbau des Buches es gestattet, dass alle die beruflich mit der Vermittlung der deutschen Sprache zu tun haben, rasch die Problembereiche auffinden können und gezielte Übungen und Spiele einsetzen können.

Kritische Stimmen werden vielleicht meinen, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass Eltern (und auch Sprachlehrer) sich für Fragen interessieren wie "Allomorphe des Pluralsmorphems im Deutschen" (S. 85) oder" Metathese im indogermanischen Sprachvergleich" (S. 34). Und sie werden darauf hinweisen, dass das Buch für Studierende der Sprachwissenschaften eher geeignet sei. Andererseits muss man dem Konzept der Autorinnen zustimmen, dass ein Anwendungsbereich solide Grundlagen braucht.

Jedenfalls ist die "Übersetzung" etwa von "morphologischer", "syntaktischer", "semantischer Bewusstheit" in Spielideen faszinierend. Der Buchtitel meint daher auch eher: Deutsche Sprache mit Spielen lernen. Und nicht: Deutsche Sprache spielerisch, leicht erlernen. Oder?

Das Buch ist eine voll bestückte Fundgrube, es erzeugt Respekt vor der wunderbaren Architektur der Sprache und vor der gewissenhaft umfassenden Wissensvermittlung der Autorinnen!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
06.09.2013
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/deutsche-sprache-spielend-lernen.html
Kostenpflichtig
nein