Psychologie der Politik. Eine Einführung. Bern: Huber.

Man kann der Autorin und ihrem Werk dazu gratulieren, dass es ein ganz weites Themenspektrum abdeckt und sehr gut die Verbindung zwischen Politik und Psychologie an konkreten Beispielen zeigt.


Autorin: Schachinger H E              

Verlag: Bern:Huber
Erschienen: 2014 

 

 

Zum Inhalt

Schachinger H E  (2014): Psychologie der Politik. Eine Einführung. Bern: Huber.

Das engagierte Buch der Autorin ist in acht Kapiteln gegliedert: Wissenschaftliche Forschung zum Wohle der Menschheit , der Mensch als Individuum und als soziales Wesen, Politikerinnen und Politiker, Wählerinnen und Wähler, gesellschaftlich relevante soziale Kategorien, Konflikte, Konfliktlösung, Wege in eine bessere Welt.  Die Autorin ist Psychologin und hat als Lehrbeauftragte an der Universität Wien sich insbesondere mit Selbstbild und Selbstwert befasst und diesbezüglich auch  im wirtschaftlichen Bereich ihr Wissen anwendungsorientiert weiter gegeben.  Das vorliegende Werk geht offensichtlich von folgender Argumentation aus: In der Politik handeln Menschen. Menschen sind Gegenstand der Psychologie.  Die in der Politik handelnden Menschen sind daher auch Gegenstand der Psychologie. In der Politik geht es um Fragen des Lebens in einer Gemeinschaft. Das Leben in einer Gemeinschaft ist Gegenstand der Sozialpsychologie. Daher geht es in der Politik auch um Fragen der Sozialpsychologie. Ein wichtiges Anwendungsfeld dieser Wissenschaftssparte ist die politische Psychologie.

 Die Autorin greift so ziemlich alle Themen auf, die in diesem bipolaren Bereich relevant sein können, die Inhalte reichen vom Skandalmanagement bis zu Faktoren, die zum Wahlsieg verhelfen, von der politischen Sozialisation bis hin zu Ideologien als politische Meinungsgerüste, von Kategorien wie Frauen und Männer und ihren Rollen bis hin zum Spannungsfeld Religion und Politik, von Terrorismus bis zur Frage, wie Menschen zu Unmenschen werden (hier vermisst der Rezensent das Paradebeispiel für die Aggression in Gruppen, das Gefangenenexperiment von Zimbardo), von Traumaheilung bis zu Konfliktlösungsworkshops, von Werten bis zu Grundlagen einer humanen Gesellschaft.  Ob die Beiziehung eines Experten der Politikwissenschaft  noch eine Vertiefung gebracht hätte, bleibt eine Frage: Vertiefung nicht im Hinblick auf die ohnehin umfassende psychologische Abbildung der politischen Gegebenheiten, sondern  auf deren Aspekt-Vollständigkeit und Gewichtung.

Terminologisch bestehen manchmal Überangebote. Auf Seite 30f werden Gedanken, Gefühle, Motivationen, Bedürfnisse als innere Faktoren, nicht sichtbare Einflussgrößen,  als psychologische Grundkonstanten und  zugleich als Kernvariablen bezeichnet.  Man hätte von Aspekten des Menschlichen oder von bleibenden Themen  der Psychologie sprechen können.
Noch ein terminologischer Vorschlag: Für eine weitere Auflage wäre eine Unterscheidung zwischen "Psychologie der Politik"  (Beschreibung der  psychologischen Aspekte politischer Gegebenheiten, z.B. die psychischen Aspekte sozial relevanter Kategorien) und "politischer Psychologie" (psychologische Mittel für politische Zwecke, z.B. Verwendung von Persönlichkeitstests bei  Auswahlprozessen) möglich und sinnvoll.

Die Autorin bringt mit dem bereits attestierten Engagement und mit mutiger Offenheit oft ihre persönliche Meinung und Erfahrung ein, meistens auch als solche deklariert, aber nicht immer begründet, woher diese Einstellung der Autorin stammt.  Dies gilt für mehrere Textstellen, insbesondere für die Ausführungen zum weiblichen Frieden und männlichen Krieg,  hier existiert nur eine Literaturangabe mit eben dieser Behauptung und eine mit einem Workshop-Bericht) und zu der überlegenen Überlebensfähigkeit der Frauen (gentechnologisch gewährte Fortpflanzung ohne Männer - allerdings könnten Männer hier die Technik des Klonens für "Fortpflanzung ohne Frauen" ins Spiel bringen) - diese plakativen Ansichten werden zur Stützung der These herangezogen, dass Frauen mehr Macht haben sollten (Seite 167f).

Manche Aussagen  sind nicht ergiebig, wie z.B. "Je wichtiger einer Person individuelles Verhalten ist, desto weniger wird sie sich einer Gruppe anpassen." (Seite 267). Das war erwartbar, allerdings könnte man sich alternativ vorstellen: Je wichtiger Individualität, desto mehr oberflächliche Anpassung (Mentalreserve) u. a. m.

Abgesehen von diesen, sicher nicht allzu  gravierenden, kritischen Anmerkungen kann man  der Autorin und ihrem Werk, das sie auch mit einer gewissen Pionierfreude betrachtet (es gibt im deutschen Sprachraum noch kaum Forschungen zur Psychologie der Politik bzw. politischen Psychologie), dazu gratulieren, dass es  ein ganz weites Themenspektrum abdeckt,  sehr gut die Verbindung von Psychologie und Politik an vielen konkret Beispielen aufzeigt und  wegen der dargestellten menschlichen Seite der Politik auch Neugier und Leselust für Politik erweckt! Und natürlich auch für Psychologie!

Das Engagement der Autorin zeigt sich im ganzen Buch, aber besonders in den Zeilen zum Schluss, wo es heißt:" Psychologinnen und Psychologen sollten nicht in ihren Praxen oder Forschungslabors darauf warten, dass die Menschen von selber zu ihnen kommen, um Hilfe, Rat und Unterstützung zu bekommen, sondern sie sind aufgefordert, ihr Wissen und Know How zu den Menschen hinauszutragen.." (Seite 417) Hier atmet der Geist der Ottawa Chart (1986) zur Gesundheitsförderung. Die psychologischen Möglichkeiten der Verbesserung der Lebensqualität helfen aber, meint die Autorin sinngemäß, nicht nur im Gesundheitsbereich, sondern auch zu einem friedvollen Miteinander!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
25.09.2014
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/psychologie-der-politik-eine-einfuehrung-bern-huber.html
Kostenpflichtig
nein