Einander helfen. Der Weg zur inklusiven Lernkultur.
Wer das Buch von Zimpel liest, weiß zweierlei: Es gibt noch viel zu leisten für die Inklusion und es lohnt sich allemal!
Buchtitel: Einander helfen. Der Weg zur inklusiven Lernkultur.
AutorInnen: Zimpel A F
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Erschienen: 2012
Zum Inhalt
Die drei Abschnitte des Buches befassen sich mit den anthropologischen Wurzeln des Lernens (wie Hilfsbereitschaft und Inklusion eigentlich schon angelegt sind im Menschen, wie Unterricht als Entwicklungshilfe verstanden werden kann, dass man das Hirn als Sozialorgan auffassen kann und wie wichtig das Emulationslernen ist -wobei das nachbildende Lernen im Unterschied zum nachahmenden Lernen in einem Vergleich von jungen Affen mit kleinen Kindern demonstriert wird). Teil2 beschreibt Lernkultur und Hyperzyklus. Gegenüber dem "Matthäuseffekt (wer hat, erhält; wer nicht hat, dem wird genommen) wird der Hyperzyklus hervorgehoben (eine Art Circulartriade, bei der A B hilft und B C -und C (als möglicherweise schwächstes Glied) wiederum A hilft. Mit einem Beispiel zeigt der Autor, wie das in der Praxis funktionieren kann: Eine in die Klasse integrierte Schülerin mit diagnostizierter geistiger Behinderung wird voll in den Zirkel des Helfens eingebunden, indem sie eine zentrale Funktion zugeordnet bekommt, in der die anderen auf sie angewiesen sind. Ob das geschilderte Arrangement ein geglücktes Experiment (mit Einmalcharakter) aufweist, oder kontinuierlich geleistet werden kann, bleibt eine Frage. Jedenfalls argumentiert der Autor sowohl mathematisch (aus der Kooperationsforschung), als auch biologisch-evolutiv für die Inklusion, für Chancengleichheit, Ökonomie des Teilens und Lernkultur. Abschnitt 3 befasst sich mit dem Helfen beim Lernen, aber auch mit dem Lernen beim Helfen (z.B. die kritische Durchleuchtung gut gemeinter Hilfe). Die sehr interessanten Ausführungen am Schluss des Buches zur Abstraktion und Anschaulichkeit setzen sich mit der wichtigen interaktiven, aber auch didaktischen Rolle der Superzeichen auseinander (ein faszinierender Vergleich , meint der Rezensent, könnte mit der 1907 erschienenen Dissertation von Wilhelm Worringer "Abstraktion und Einfühlung" hergestellt werden).
Das Buch ist ein eindringliches Plädoyer für die Abwendung von Konkurrenzgemeinschaften nach dem Matthäusprinzip und für eine Öffnung hin zu einer individualisierten Potenzialentfaltungsgemeinschaft, bei der jeder gebraucht wird. Dass hier eine hoher pädagogischer und psychologischer Einsatz und viel Idealismus notwendig ist, lässt sich kaum bezweifeln, auch wenn die biologischen, anthropologischen und mathematischen Argumente die Inklusion fast logisch zwingend erscheinen lassen. Möglicherweise gibt es einmal Ansätze, die Inklusion als autopoietisch begreifen. Aber auch hierfür braucht es ein förderliches Setting.
Wer das Buch von Zimpel liest, weiß zweierlei: Es gibt noch viel zu leisten für die Inklusion und es lohnt sich allemal!