Dieser Artikel von Mag. Alfons Koller wurde auch in GW-Unterricht, Heft 75, September 1999, S. 78 - 81 publiziert.

Das "gothaer forum" zum Geographieunterricht 1999

Das "gothaer forum" zum Geographieunterricht war in diesem Jahr (23./24.4.1999) dem Themenbereich MULTIMEDIA gewidmet. Vergleichbar dem Treffen am Haimingerberg diskutierten dort Fachdidaktiker, Schulpraktiker und Vertreter der Schulaufsicht über aktuelle fachdidaktische Fragestellungen der bundesdeutschen Schulgeographie. Die alljährliche Koordination liegt bei Martina Flath und Gerhard Fuchs (beide Vechta), die finanzielle Unterstützung beim Verlag Klett-Perthes (Gotha). Im Folgenden sind wesentliche Gedankengänge und Argumente zusammengefasst:

Argumente für den Comutereinsatz im GW-Unterricht

Kritsche Aspekte

Verhältnis "Lehrer und Computer"

Zukunftsaussichten

 

  1. Ludwig Issing (TU Berlin) sprach aus pädagogisch-psychologischer und medienpsychologischer Sicht. Er hob den personalen Aspekt des Lernens hervor: "Erfahrung ist wesentlicher als Wissen." In diesem Sinne liefert Multimedia-Software - für sich alleine eingesetzt - keine Effizienzsteigerung beim Wissenserwerb gegenüber der traditionellen Klassenarbeit. Dies entspricht auch den Unterrichtserfahrungen, die Lothar Püschel (Nierstein) und Günter Gerharz (Wesel) in die Diskussion einbrachten. Zu beachten ist allerdings, dass dies auf punktuellen Erfahrungen beruht. Vergleichsstudien wissenschaftlicher Art sind selten, aufgrund von kleinsten Stichproben kaum repräsentativ und liefern (wegen der Dominanz der Rahmenbedingungen) keine signifikanten Ergebnisse. Eher macht es Sinn, so Helmut Schrettenbrunner (Nürnberg), Varianten in der computerunterstützten Arbeit auszutesten und die Entwicklung durch Evaluation zu begleiten.

  2. Was spricht unter diesem Blickwinkel für den Einsatz von Computern, Multimediasoftware und Internet im GW-Unterricht?

  3. Bilder spielen im GW-Unterricht eine wesentliche Rolle. Sichtbar machen, Veranschaulichen und Zeigen sind wesentliche Tätigkeiten der GW-Lehrer. Bilder werden schneller erfasst und länger behalten als textliche Information (Ludwig Issing). Mit den neuen Medien stehen Bilder in Überblicks- und Detailansichten, in realistisch-komplexen und didaktisch-reduzierten Darstellungen, in Farbqualität, bei minimalen Speicher-, Kopier- und Verteilungskosten und bei schnellem Zugriff zur Verfügung. Die Interpretation der Bilder und die Schulung des Abstraktionsfähigkeit sind damit die wesentliche Lernziele.
  4. Manche Multimedia- (z.B. Alex in Deutschland oder Easy Business) und Unterrichtssoftware (z.B. Wega-Programme) verpacken die Inhalte in "Geschichten". Sie werden in animierender Graphik und altersadäquater Sprache dargeboten. Eine Identifikationsfigur führt den Schüler durch das Programm. – Dieses Lernen in Partnerarbeit am PC erfolgt selbstgesteuert, interaktiv mit optionalen Hilfen, problemorientiert und kooperativ innerhalb der Schülergruppen. Es folgt damit den Prinzipien der konstruktivistischen Lerntheorie. (Ludwig Issing)
  5. Das Lernen der Schüler hat sich verändert. Sie können sinnliche Reize leichter parallelisieren. Assoziatives Erschließen gewinnt an Bedeutung. (Helmut Obermann, Ettlingen) Dies zeigt sich auch am explorativen Zugang der Kinder und Jugendlichen zu Computern. Es widerspricht damit der lehrer- oder tafelzentrierten Interaktion in der klassischen Unterrichtsform.
  6. Die "Neuen" Medien eröffnen einen Zugang zu aktueller und aktualisierbarer Information. Diese ist auch auf großer Maßstabsebene (z.B. der eigenen Heimatgemeinde) verfügbar. Simulationen eröffnen auch neue Anschauungsformen (insb. bei sozialwissenschaftlichen oder geologischen Themen). Diese neue Regionalisierung und thematische Intensivierung kann die Fachdurchdringung und Fachvertiefung fördern. Bei manchen Schülern setzt sich dies am Nachmittag fort, wenn ihnen Computer, Software oder Internet zur Verfügung stehen.
  7. Computer sind aus der Lebenswelt der meisten Schüler nicht mehr wegzudenken. Ihre Nutzung erstreckt sich allzu oft auf Spielen, Chatten und Surfen. In der Arbeitswelt ist der Computer als Werkzeug ebenso ein fixer Bestandteil. Es ist Aufgabe der Schule hier einen Übergang zu schaffen; auch der GW-Unterricht hat dazu seinen Beitrag zu leisten. Er stärkt dabei die Methodenkompetenz der Schüler, geographische Information zu verarbeiten, geographische Inhalte zu erkennen, zu visualisieren und zu präsentieren.
  8. Das Internet eröffnet eine neue Dimension der Publikation. War es früher nur bestimmten Personen möglich, öffentlich aufzutreten und ihre Gedanken zum Besten zu geben, so kann dies heute jeder Schüler und jeder Lehrer tun. Dieser Prozess macht aber auch die Relativität des Dargebotenen umso mehr deutlich. Nicht was geschrieben ist oder am Computerbildschirm erscheint, ist automatisch wahr und richtig. Es bedarf einer kritischen Betrachtung. Hier kann der GW-Unterricht einen wesentlichen Beitrag zur Medienerziehung leisten.
  9.  

    Natürlich kamen auch kritische Aspekte zur Sprache:

  10. Bei vielen Multimedia-Produkten und Suchmaschinen im Internet verliert man sich in der chaotischen Fülle der Information. Norbert Welsch (Tübingen) baut (am Beispiel der Biologie Mediothek) durch ein "Radar" die vielmals vermisste Struktur auf. Im Zentrum steht der Suchbegriff, zu dem vertiefende Information abgefragt werden kann. Am Rande liegen mögliche Erweiterungsthemen. Der Benutzer wählt aus, was nun als nächstes ins Zentrum des Interesses rücken soll.
  11. CDs sammeln Informationen oft in enzyklopädischer Art. Einem Lexikon ähnlich, können sie damit der Unterrichtsvorbereitung dienen. Für die zielgerichtete Nutzung durch Schüler fehlt im GW-Unterricht in der Regel die methodische Aufbereitung und ein technischer "Schlüssel", der bestimmte Teile "öffnet" und andere "wegsperrt". Technische Innovation ist in diesem Sinne oft mit methodischer Regression begleitet, so Helmut Schrettenbrunner (Nürnberg).
  12. Kleine, überschaubare Programme hingegen, erweisen sich in vielen Fällen als effektiver. Sie kommen dem Schüler entgegen, weil sie eine kognitive Orientierung anbieten (Ludwig Issing) und in der vorhandenen Unterrichtszeit (50‘-Einheiten) leichter einsetzbar sind. - Lineare Lernstrukturen helfen dem Anfänger, netzwerkartige dem Profi, der den Überblick bereits hat. Je konstruktiver der Lernvorgang, desto besser das (gemessene oder messbare) Ergebnis. Als Alternative bietet sich hier an, dass der Lehrer kleine Module auswählt und Schüler mit gezielten Arbeitsaufträgen daran arbeiten läßt.
  13. Multimedia-CDs stoßen in den Schulen oft auf Grenzen der Hardware und der Finanzen. Viel CDs sind in den lokalen Schulnetzwerken nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten lauffähig. Kopfhörer mit ausreichend langen Kabeln müssen in Klassenstärke zur Verfügung stehen. Großbildprojektoren sind heute meist noch außerhalb der finanziellen Reichweite. Laufende Aktualisierung der Hardware (3-Jahr-Rhythmus im Idealfall) belasten die Finanzen der Schulerhalter (Gemeinden, Städte, Private, Bund) enorm.
  14.  

    Zum Verhältnis "Lehrer - Computer":

  15. Bei der bundesdeutschen Studie zu "Schulen ans Netz" stellte sich heraus, dass die Lehrerschaft prinzipiell positiv eingestellt ist. Zwei Drittel nutzen diese Möglichkeiten allerdings nicht. Die Gründe liegen in der Angst vor Blamage vor den Schülern, Kontrollverlust im Klassenzimmer, dem Fehlen didaktischer Konzepte und der Bequemlichkeit (Ludwig Issing). Bei dem Computereinsatz im Klassenzimmer (nicht im Informatikraum) tritt eine geringere Hemmschwelle auf. Eine wesentliche Rolle kommt i.a. dem Informatikkustoden zu; Kooperation und Hilfsbereitschaft seinerseits sind notwendig.
  16. Dies wird durch eine Studie von Albert Seidl (Nürnberg) ergänzt: Lehrer, die Computer im Unterricht einsetzen - sogenannte "Innovatoren" - weisen folgende Charakteristika auf: private Computerausstattung, positive Einstellung zu Technik sowie die Bereitschaft, selbst Ratschläge zu geben und andere zu fragen. Geschlecht und Alter der Lehrer sowie die Ausstattung der Schule spielen hingegen keine Rolle! Unterstützt, ja essentiell notwendig erweist sich die Lehrerfortbildung, wobei der regionalen und kleinräumigen vor der zentralen der Vorzug zu geben ist. (Siehe Albert Seidl (1998) Die Diffusion und Adoption von Software für den Erdkundeunterricht.- Nürnberg, (= Geographiedidaktische Forschungen Bd. 31). Selbstverlag des Hochschulverbands für Geographie und ihre Didaktik e.V. 218 S.)
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    Ein Blick in die Zukunft:

  18. Den Ausblick in die Zukunft (die nächsten 5 bis 8 Jahre!!) weisen Virtual-Reality-Programme, die neben Hören und Sehen auch den Tastsinn ansprechen (Erweiterung des Verständnisses von Multimedia) und E-Books (Electronical books), die aus dem Internet oder dem Schulnetzwerk "aufgeladen", nach individuellen Schüler- und Lehrerwünschen gestaltet, in beliebiger Umgebung einsetzbar sind.

 

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Zentrum für innovative Pädagogik
Autor: Alfons Koller  -
Zentrum für innovative Pädagogik an der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz
Layout. Elke Wöß
Letzte Aktualisierung:   13 Jän 2000

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