Achtsamkeit

Das Buch bietet auf 83 Seiten erstaunlich viel Information.

Buchtitel: Achtsamkeit
Reihe: Fortschritte der Psychotherapie Bd 48
AutorInnen: Michalak J, Heidenreich T u Williams J M G
Verlag: Hogrefe
Erschienen: 2012

Zum Inhalt

Zunächst wird das Therapieprinzip "Achtsamkeit" dargestellt:
Es ist eine absichtsvolle, nicht bewertende, auf den gegenwärtigen Moment ausgerichtete Aufmerksamkeitslenkung. Die achtsamkeitsbasierten Verfahren (die Mindfulness-based Stress Reduction und die Mindfulness-based Cognitive Therapy) stellen die Achtsamkeit in das Zentrum therapeutischen Handelns, während die achtsamkeitsinformierten Verfahren die Achtsamkeit neben anderen Prinzipien in ihr therapeutisches Handeln integrieren.

Das zweite Kapitel liefert als theoretischen Hintergrund des Verfahrens wichtige Konzepte und Modelle: die differenzielle Aktivierung negativer Kognitionen (wobei ein Aufschaukelungsprozess zwischen dysphorischer Stimmung und negativen Kognitionen angenommen wird). Die diskrepanzbasierte Informationsverarbeitung (ein sprachgebundener doing modus, in dem über das Auseinanderklaffen von Seinserleben und Sollensvorstellungen gegrübelt wird) anstelle einer erfahrungsbasierten Haltung ( akzeptierender, offener being modus), in dem negative Gedanken nicht wegdisputiert , sondern losgelassen werden (Disidentifikation).

Kapitel 3 beschreibt die Indikation und Diagnostik bei depressiven Patienten, aber auch bei anderen Patientengruppen).

Kapitel 4 erläutert die Behandlung und zeigt verschiedene Übungen wie die vergegenwärtigende Rosinenübung, den Body-Scan, die Sitzmeditation und den "Atemraum" (die beiden letztgenannten Achtsamkeitsübungen gibt es zusätzlich als Audiodatei "Achtsamkeitsübungen für die klinische Praxis und den Alltag". Für diese Audio-CD empfiehlt sich auf jeden Fall die vorangegangene Lektüre des vorliegenden Buches).

Weiters werden informelle Achtsamkeitsübungen angeführt: Texte, Gedichte, Bilder, Metapher, sowie kognitiv-verhaltenstherapeutische Elemente (wie die Psychoedukation) und verhaltensbezogene Elemente (achtsame Aktivität, achtsamer Umgang mit Routinetätigkeiten). Den Schluss dieses Kapitels bieten Effektivitäts- und Prognoseüberlegungen, sowie Hinweise auf den Umgang mit Schwierigkeiten. Literaturhinweise und zwei Karten mit hilfreichen Anweisungen runden das Buch ab.

Das Buch liefert eine kompakte, den Nachvollzug ermöglichende Information. Einige wenige Anmerkungen seien gestattet: Interessant wären Ausführungen über die Spannung zwischen nicht wertender Achtsamkeit und wertbewusstem, engagierten Handeln (wie in der ACT-Therapie oder in den existentiellen Psychotherapien ja explizit als dem Menschen wesentlich zukommende Fähigkeit zur verantwortlichen, freien Entscheidung gefordert). Die Ausführungen auf Seite 12 oben könnten dahin ergänzt werden. Interessant wären auch andere Querverbindungen, wie z.B. die Beziehung zwischen erfahrungsbasiertem Modus und dem Focusing-Konzept von Gendlin, oder die Beziehung zwischen dem Aufschaukelungsprozess und z.B. der Rational-Emotiven Therapie nach Ellis.

Ein weiterer Punkt: Mit Recht wird von den Therapeuten, die therapeutisch mit Achtsamkeitskonzepten arbeiten, ausreichende Eigenerfahrung während der Ausbildung gefordert. Die Forderung , dass der Achtsamkeitstherapeut lebensbegleitend eine tägliche, ca 45 minütige Achtsamkeitsmeditation durchführen solle, weist die Eigenheit der achtsamkeitsbasierten Verfahren auf: Die Brücke zwischen Therapie und Lebensführung, die in anderen Therapien (wohl auch bewusst) nicht diese präzise Präskription besitzt.

Noch ein Wort zum Vorlesen der Meditationstexte. Auf Seite 29 wird empfohlen, den Text so sachlich vorzubringen, dass keine Entspannungsgsitzung daraus wird. Ob sich dieser Effekt nicht doch einstellt, mag jeder, der z.B. die Audio-CD anhört, selbst beurteilen. Es wäre spannend, hier noch präzisere Anleitungen zu erhalten, da nach Erfahrung des Rezensenten ein sachlich vorgetragener Text sehr wohl ein Hypnoid induzieren kann. Dessen Verhältnis zur Achtsamkeit wäre ein faszinieremdes Thema...

Eine Anmerkung noch: Auf Seite 29 wird den Achtsamkeitsübungen Raum geschenkt. Gleich zu Beginn wird die Infinitiv-Sprache empfohlen, die das direkte Ansprechen des Patienten vermeidet und statt "nehmen Sie Ihre Gedanken wahr.." die Form wählt: "die Gedanken wahrnehmen.." Die Begründung dieser indirekten Ansprechform leuchtet ein, allerdings findet sie im Buch keine Verwendung mehr, sowohl die weiteren Hinwiese zu den Achtsamkeitsübungen, als auch die Anweisungen zur Rosinenübung, zum Body Scan, zu den Sitzmeditationen, zum "Atemraum" sind sämtlich in der direkten Anredeform abgefasst. Ein Punkt, den man sich hinsichtlich Konsistenz überlegen könnte.

Insgesamt ist das Buch aber ein verlässlicher Partner, der hält, was er verspricht! Man liest das Buch mit Gewinn für die eigene therapeutische Praxis!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
07.04.2012
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/achtsamkeit.html
Kostenpflichtig
nein