Das Drama der Vaterentbehrung

Diese Buchbesprechung will der Rezensent nicht am Aufbau des Inhalts orientieren, sondern nach pragmatischem Gesichtspunkt strukturieren: Was gewinnt der/die Leser/in durch die Lektüre? Für Psychotherapeut/inn/en erfährt der diagnostische, ätiologische, pathogenetische Suchraum eine beträchtliche...

Buchtitel: Das Drama der Vaterentbehrung
Autorinnen: Petri H
Verlag: E. Reinhardt
Erschienen: 2009

...Erweiterung: Vaterlosigkeit, Vaterverlust, abwesenheitsbedingte Vaterentbehrung werden in ihrer (ver-)störenden, neurotisierenden Auswirkung ernst genommen und aus der Zone der Tabuisierung bzw. Verdrängung befreit. Als Mann und Vater spürt man eine neue, erfreuliche, vielleicht auch etwas erschreckende Verantwortung, ungewohnt jedenfalls, weil die Rolle des Vaters weitgehend in der Requisitenkammer abgestellt war und es sogar die Auffassung gab, der fehlende Vater sei nicht nur kein Erziehungs- und Beziehungs-Problem, sondern im Gegenteil gebe es eine Garantie für mehr Harmonie in der Mutter-Kind-Beziehung ohne den Störfaktor. Als Jurist, Mediator wird man bei etwaigen Sorgerechtsentscheidungen vielleicht mehr als bisher auf eine Balance der Eltern-Kind-Beziehung achten. Vielleicht fließen diese Gedanken auch in das allgemein als nicht ausgewogen beurteilte Scheidungsrecht ein. Als Leser/in ohne einschlägigen Berufskontext wird man sich ebenfalls kaum einer Betroffenheit entziehen können: In irgendeiner Weise, direkt oder indirekt trifft die Vaterbeziehung auf die eigene Lebensgestaltung zu. Gegenüber diesem großen Gewinn sind einzelne Anmerkungen nur kleine Nadelstiche: Etwa, dass die Pathogenese bei den vielen Fallberichten so auf den Vater fokussiert, dass der Eindruck einer Monokausalität entsteht. Oder, dass um des größeren Zusammenhangs willen manchmal auf Feindifferenzierungen verzichtet wird, wenn z.B. Don Juan und Casanova nahezu synonym verwendet werden; oder wenn bei Hannah Arendt die beiden langjährigen Ehen mit Günther Anders und Heinrich Blücher als Beweis für die kreative Verarbeitung des frühen Vaterverlusts angeführt werden, aber die Beziehung zu Heidegger übersprungen wird.

Das Buch liefert viele Anregungen – Bindung, Exploration, soziale Väter, Geschwisterbeziehungen als Vaterübertragung, die Rolle der Mütter, die Vaterentbehrung als Trauma und z.B. ein neuer Geschlechtervertrag, das Recht der Kinder auf beide Eltern als Bausteine der Traumaheilung, und vieles andere mehr! Eine gewinnende Lektüre – eine Lektüre mit Gewinn!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
03.12.2009
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/das-drama-der-vaterentbehrung.html
Kostenpflichtig
nein