Handbuch Psychotherapie-Antrag. Psychodynamisches Verstehen und effizientes Berichtschreiben

Das vorliegende Buch ist gut durchstrukturiert und weist eine Fülle lebendiger Impulse auf!


Autor: Jungclaussen
Verlag: Stuttgart Schattauer 

Erschienen: 2015 (2013)

Zum Inhalt

Es gibt Bücher, die checklistenartig wichtige Inhalte präsentieren.
Man hat ein Skelett in der Hand, nichts Lebendiges! Die Teile fügen sich zusammen, aber es entsteht keine plastische Vorstellung. Diese Einseitigkeit besteht beim vorliegenden Buch nicht.
 
Es gibt Bücher, die erzählen, es dominieren Fallgeschichten. Man spürt den lebendigen Impuls von Muskeln und Nerven – aber es entsteht keine Figur, weil es an Strukturiertheit des vermittelten Wissens mangelt. Auch dieses Ungleichgewicht ist nicht vorhanden, denn das vorliegende Buch ist gut durchstrukturiert und hat viele Checklisten, weist  aber zugleich eine Fülle lebendiger Impulse auf in Form von Praxisbeispielen, Fallberichten, Abbildungen etc. Der Autor vergleicht seine Arbeit mit der Errichtung eines Hauses.  Dann „ symbolisieren die in diesem Buch vermittelten Kenntnisse der grundlegenden psychoanalytischen Theorien das Fundament, auf dem eine Psychodynamik entwickelt wird. Als Ihren Bauplan erhalten Sie entsprechend Schritt-für-Schritt-Anleitungen, jeweils für konflikt- und strukturbedingte Störungen..“(Seite VI).

Das Buch besteht aus 7 Teilen: Teil A befasst sich mit den Rahmenbedingungen der Begutachtung, mit dem Antragsbericht und mit der näheren Erläuterung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie.

Teil B ist bestrebt, die psychoanalytischen Theorien verständlich zu erklären.

Teil C stell 6 Grundfähigkeiten für die Erstellung der Psychodynamik und des Behandlungsplanes vor: Das diagnostische, ätiologische, theoretische, psychodynamische Verständnis, das Beziehungsverständnis und das Interventions- und Zielverständnis.

Teil D führt in die psychogenetische Konflikttabelle  ein, ein Herzstück des Autors. Ihm gelingt es, in einer farblich differenzierten Zusammenschau, 15 Konflikte zu beschreiben und zwar nach den Symptomen, dem Grundkonflikt, der Beziehungsrepräsentanz. Erläuterungen helfen beim Verstehen des komprimierten Wissensstoffes. Im Detail befasst sich die Tabelle auch mit den phasengemäßen Anforderungen an die Eltern, mit der Konfliktgenese, mit den unbewussten Beziehungsfantasien, mit dem Modus der Konfliktverarbeitung,  u. v. a. m. Dem Autor ist damit eine einzigartige Hilfe gelungen, die für Diagnostik und Therapieplanung wertvolle Abwägungen zwischen mehreren Alternativen ermöglicht.

Teil E liefert Berichts-Checklisten, Teil F Fortführungsberichte und Therapiebeendigungsüberlegungen. Teil G bringt ausgewählte Aspekte wie z.B. Besonderheiten der Traumafolgestörungen, neue Bestimmungen der Suchttherapie.

Das Buch ist ein Beispiel für die mögliche und geglückte Verbindung von komplexen Inhalten, einfacher, verständlicher Aufbereitung, motivierender Illustration und exemplarischer Gestaltung, bei der auch der Humor nicht zu kurz kommt! Empfehlenswert für Anfangende und  Erfahrene gleichermaßen!

Eine kleine philosophische Anmerkung zum Schluss: Die Hoffnung, diagnostisch bis zu den Wurzelspitzen der Störung vordringen und eine exakte begriffliche Abbildung des Vorhandenen erreichen zu können, macht Mut und ist zugleich eine Herausforderung. Wozu der Autor in Folgeauflagen noch deutlicher Stellung beziehen könnte, ist aber die letztlich doch vorhandene Unbestimmbarkeit des Menschen, die in bestimmten Teilen der Persönlichkeit merkbare Ambiguität, und auch das mahnende  Wort Alfred Adlers: Es kann aber alles auch ganz anders sein!

 Die Vielschichtigkeit und Präzision der Aussagen in diesem Buch lässt fast vergessen, dass es nicht um logische Stringenz, mathematische Gewissheit und naturgesetzliche Erwartbarkeit geht, sondern um eine Annäherung, probabilistisch, hypothetisch.

Diese Überlegungen werden zweifach angedeutet: Im Coverbild mit der Suche eines Wegs durch den Dschungel und im Zitat aus dem "Mann ohne Eigenschaften" von Robert Musil, das der Einleitung vorangestellt wird:                                       

"Alles ist in einer unsichtbaren, aber niemals ruhenden Wandlung begriffen. Im Unfesten liegt mehr von der Zukunft als im Festen und die Gegenwart ist nichts als eine Hypothese, über die man noch nicht hinausgekommen ist“.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Absicht des Autors sich voll erfüllt: Der Psychotherapie-Antrag gewinnt Konturen, wird als schlüssige Argumentation vorgeführt und verliert somit an Angstpotential!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
05.09.2015
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/handbuch-psychotherapie-antrag-psychodynamisches-verstehen-und-effizientes-berichtschreiben.html
Kostenpflichtig
nein