Handbuch Trauerbegegnung und – begleitung. Theorie und Praxis in Hospizarbeit und Palliative Care
Das Buch kann für alle Menschen empfohlen werden, die sich professionell oder als betroffene Angehörige mit dem Thema der Vergänglichkeit auseinandersetzen müssen oder wollen!
Buchtitel: Handbuch Trauerbegegnung und – begleitung. Theorie und Praxis in Hospizarbeit und Palliative Care.
AutorInnen: Müller M, Brathuhn S u Schnegg M
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Erschienen: 2013
Zum Inhalt
Die Autorinnen und der Autor nehmen das Handbuch als Hand-Buch beim Namen, sie sehen in der einen Hand das theoretische Begreifen, in der anderen das praktische Anwenden. Beide Hände sind notwendig. Die fünf Kapitel des Buches symbolisieren die fünf Finger: Das Begreifen (Daumen), wichtige Hinweise (Zeigefinger), das im Mittelpunkt Stehende (Mittelfinger), die treue, verlässliche Haltung (Ringfinger) und das spielerische Erproben (Kleiner Finger). (S 11f). Inhaltlich folgen aber die fünf Kapitel nicht dieser Zuordnung: Das Buch konzentriert sich auf das Phänomen der Trauer, das nicht erst posthum, sondern bereits mit der Diagnose der tödlichen Erkrankung bedeutsam wird. Das Buch hat zwei Teile, der erste befasst sich mit den theoretischen Grundlagen, der zweite mit Praxisrelevanz und Umsetzungsmöglichkeiten. Zunächst wird das Phänomen Trauer dargestellt und im Kontext palliativer und hospizlicher Versorgungsstrukturen beschrieben. Die endgültige Verarbeitung von Trauer im Sinne einer Erledigung eines schweren Geschäftes wird als Märchen bezeichnet. Wohl aber glauben die Autoren, dass eine durchlebte Trauer einen wichtigen Beitrag zur Selbstwerdung liefert (S 21). Die Aufgaben, die sich dem Trauernden stellen beginnen bei der äußeren und inneren Wahrnehmung des drohenden oder erlittenen Verlusts, führen weiter zum Erkennen und Verstehen bis hin zum Akzeptieren und Gestalten. Diese Werteschritte sind in angepasster Form auch wichtig für die professionellen Mitarbeiter in der hospizlichen und palliativen Versorgung sterbender Menschen. Dadurch lassen sich negative Umgangsweisen mit der Belastung vermeiden: Kühle Distanz, Verbrüderung mit dem Patienten, Verspiritualisierung der Erlebnisse, Zynismus etc. (S 97f).
Es gibt drei Felder der Trauer: Sterbender und Angehöriger vor dem Tod, Verstorbener und Zurückbleibender zum Todeszeitpunkt und Trauernder nach dem Tod. Die Mitteilung der begrenzten Zukunftserwartung ist auf jeden Fall eine Lebenszäsur. Sie „katapultiert sowohl den Schwersterkrankten als auch seine Angehörigen gewissermaßen aus der Gemeinschaft der Unsterblichkeitsillusionisten heraus“ (S 47).
Ein eigenes Kapitel ist der Haltung und Kommunikation gewidmet: Wahrnehmen, Raum schenken, achtsam sein, Trost bei tiefem Kummer, Umgang mit der eingefrorenen oder nicht mehr effektiven Sprachfähigkeit , Trauer und Spiritualität bzw. Rituale, Umgang mit Fremd- und Selbstsorge. Eine interessante Empfehlung besteht darin, Trauer nicht resignativ aufzulösen, sondern enttabuisierend auszulösen (S 121ff).
Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Begegnung und Begleitung von Trauer in der Hospizarbeit und Palliativmedizin. Aus den vielen Anregungen sei beispielhaft die Focusing-unterstützte Trauerbegleitung hervor gehoben: Die von E. Gendlin entwickelte psychotherapeutische Methode kann zur Ressourcenbewusstmachung in der Trauerbegleitung eingesetzt werden. Durch eine nach innen gerichtete Aufmerksamkeit in einem offenen Beziehungsraum wird es möglich, den felt sense einer Situation zu spüren, die vage wahrgenommene Bedeutung, diese gilt es zu be-greifen, der vorläufig gefundene „Griff“ kann ein Bild, ein Symbol, ein Wort, ein weiteres Gefühl sein. In einem Pendelprozess zwischen dem Körperempfinden des felt sense und der vorläufig gefundenen Symbolisierung wird eine Annäherung zwischen beidem angestrebt. Schließlich kann der felt sense als Ressource für Lösungen herangezogen werden. Viele weitere sehr konkrete und praktische Impulse liefert dieses Kapitel.
Das abschließende Kapitel wirft die Frage auf, ob der Leser die palliative-hospizliche Arbeit für sich als Betätigungsfeld entdecken könnte.
In einem Abschnitt werden die 4 B in der Trauerbegleitung angeführt: Begegnung, Bewusstheit, Berührung und Bewegung. In einem übertragenen Sinn kann man sagen, dass die Begegnung mit diesem Buch Bewusstseinsarbeit bewirkt, berührt und bewegt! Das Buch kann für alle Menschen empfohlen werden, die sich professionell oder als betroffene Angehörige mit dem Thema der Vergänglichkeit auseinandersetzen müssen oder wollen! Für manche unheilbar erkrankte Menschen, die dem Sterben entgegen gehen, kann das Buch ein zur mitmenschlichen Begegnung und Begleitung zusätzliches Angebot darstellen.