Leben mit den Sinnen

„Winnie Dunn hat eines der größten Rätsel im Leben gelöst – das Sinnen-Puzzle!“ verheißt überschwänglich der Klappentext mit der Stimme von Brenda Smith Myles von der Universität Kansas. Dieser euphorischen Meldung steht als Kern des Buches gegenüber eine Typologie, ...

Buchtitel: Leben mit den Sinnen. Wie Wahrnehmungsmuster unser Leben bestimmen.
Autorinnen: Dunn W
Verlag: Bern: Hans Huber
Erschienen: 2010

...die die Autorin aus Untersuchungen (z.B. an Kindern mit Behinderungen, Autismus, ADHS) abgeleitet hat: Menschen können sich demgemäß darin unterscheiden, dass sie eine hohe oder niedere Reizschwelle haben bzw. aktive oder passive selbstregulierende Strategien einsetzen. Reizsucher sind Menschen mit hoher Reizschwelle und aktiver Selbstregulation: Sie brauchen viel Stimulation und sorgen aktiv dafür. Reizvermeider sind Menschen mit niedriger Reizschwelle und aktiver Selbstregulation: Sie sprechen sehr schnell auf sinnliche Reize an und kümmern sich aktiv um die Steuerung der Sinnesreize. Sensoren sind Menschen mit niederer Reizschwelle und passiver Selbstregulation: Sie registrieren sehr rasch Reize, lassen sie aber geschehen und stellen sich darauf ein. Nichtsensoren sind Menschen mit hoher Reizschwelle und passiver Selbstregulation: sie brauchen viel Anregung und lassen die Situation über sich ergehen.

Ein Überblick schildert die Empfindungen als Informationsquellen für das Gehirn. Ein Fragebogen auf Seite 50ff hilft bei der Zuordnung einer oder mehrerer dieser vier Muster der Sinneswahrnehmung. Er gliedert seine Fragen nach Verarbeitung von Wahrnehmungen des Geschmacks und Geruchs, der Bewegung, visueller Wahrnehmungen, Berührungen, auditiver Wahrnehmungen und des Aktivitätsniveaus. Das Buch entfaltet die Typologie und ihre Konsequenzen für die Gestaltung des Alltags, der Beziehung, der Elternschaft, des Outfits, des Wohnraums, der Arbeit sowie der Freizeit und Erholung. Fallbeispiele und Beschreibungen der Chancen und Probleme von Beziehungen zwischen gleichartigen oder verschiedenen Wahrnehmungsmustern veranschaulichen die Typologie. Die einzelnen Darstellungen greifen im Wesentlichen nochmals die Items des Fragebogens auf und exemplifizieren sie etwas. Das Buch ist für einen breiten Leserkreis geschrieben und unterlässt Querverweise wie z.B. den Hinweis auf die Typologie von Abwehrern und Sensibilisierern, von Akzentuierern und Nivellierern, von Feldabhängigen und Feldunabhängigen, oder die Typologie nach C.G.Jung mit Erfahren, Intuieren, Denken, Fühlen. Das Buch weist auch nicht auf die Einflüsse kultureller oder sozialer Situationsbedingungen, von Einstellungen, Verhalteneffekten auf die Wahrnehmung hin.

Dafür aber rückt die Beschreibung die einzelnen Wahrnehmungsverarbeitungen stark in die Nähe charakterologischer Eigenschaften: Der Reizvermeider z.B. erscheint teilweise zwänglich, pedantisch, ängstlich-vermeidend, der Reizsucher impulsiv, überaktiv, hysterisch, der Nichtsensor teilweise schizoid und fast schon autistisch, der Sensor dafür als nervöser Charakter, sensitive Persönlichkeit Ob diese Legierungen „haltbar“ sind, ist und bleibt im Buch eine offene Frage.

Einen unterhaltsamen Impuls für das gegenseitige Verstehen und die Toleranz verschiedener Wahrnehmungsmuster liefert die Lektüre auf jeden Fall und damit Anstoß für eine spannende Eigenreflexion und Beziehungsklärung!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
29.06.2010
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/leben-mit-den-sinnen-wie-wahrnehmungsmuster-unser-leben-bestimmen.html
Kostenpflichtig
nein