Psychodrama
Das Buch regt zum "Mittun" als Therapeut oder Patient an und hinterlässt beim Leser den eindringlichen Appell, in der Therapie das Aktionale dem Reflexiven an Bedeutung gleichzusetzen!
Buchtitel: Psychodrama
Reihe: Wege zum Menschen
AutorInnen: Stadler C
Verlag: E.Reinhardt München Basel
Erschienen: 2014
Die Reihe "Wege der Psychotherapie" gibt richtungsweisende Einführungen in neue und bewährte Ansätze der Psychotherapie. Einen spezifischen Weg zeigt das Buch "Psychodrama" auf. Bereits 2012 hat Stadler als Co-Autor ein Buch über Psychodrama-Therapie veröffentlicht, in dem es insbesondere um die Anwendung der Methode auf verschiedene psychische Störungsbilder ging. Sein neues Werk konzentriert sich dagegen auf die für die Reihe vorgesehene Gliederung in: Einführung, Geschichte, Theorie, therapeutisches Vorgehen, Evaluation und Ausblick sowie Glossar, Literatur, Anhang. Die "Psychodrama Therapie ist eine humanistische Psychotherapieform" (Seite 9). Es geht um die handelnde Darstellung des inneren Erlebens und dadurch um die Aktivierung der Selbststeuerungs- und Selbstheilungskräfte des Menschen (ebd.). Auf Seite 11 wird in einer Tabelle ein Vokabular des Psychodramas dargestellt. Die Übersicht bringt wichtige Begriffsdefinitionen wie Surplus-Realität ( Darstellung des "Als ob"), Szene, Rollen, Handlung etc. Stadler zeigt die Vielfalt dieser Psychotherapie auf und berichtet über aktuelle Entwicklungen wie das Monodrama ( Psychodrama ohne Mitspieler), das Soziodrama (Themenstellungen für ganze Gruppen wie z.B. das Bibliodrama, das Märchenspiel mit zugewiesenen Rollen; die Erforschung einer Gruppe durch sie selbst im gruppenzentrierten Soziodrama; die Simulierung von Dynamiken zwischen verschiedenen gesellschaftlich relevanten Rollen im Soziokulturellen Soziodrama). Der Trend zur Entwicklung störungsspezifischer Methodensets existiert auch in der Psychodramatherapie. Literatur dazu führt der Autor auf Seite 31 an.Einige Beispiele für die Vielfalt der Instrumente und Techniken: Auf Seite 61f wird die "therapeutische Spirale" beschrieben, die in dem bereits erwähnten Werk aus 2012 vorgestellt wird. Diese Spirale hat sieben Stationen und geht von einem Außenrandpunkt fortschreitend bis zum Innersten und dann wieder bis zum Außenrand neben dem Ausgangspunkt. Diese 7 Stationen erfassen verschiedene Szenen: die aktuelle Symptomszene, erinnerte Aktualszenen ("erinnert" und "Aktual" klingt für den Rezensenten etwas widersprüchlich), vergangene Szenen, die Ursprungsszene des Konfliktes, Gegenwart und Lösungsszenarien. Der Außenring stellt das Aktuelle dar, der Mittelring die Vergangenheit, der innerste Ring die frühe, genetische Situation. Bei entsprechender "Erwärmung" (der Begriff wird nicht geklärt, stellt eine Art innerer Beteiligung dar) kommt es zu einer Lösung, die über den Außenring hinausreicht (Seite 61f). Es wäre spannend mehr über die "Erwärmung" und mehr über das Auffinden(und Wissen um das Gefundenhaben) der Ursprungsszene zu erfahren. Ebenso wäre eine kurze Abgrenzung gegenüber der Verhaltenstherapie und der Gestalttherapie lohnend.
Die Therapie durchschreitet diese Stationen und wird mit entsprechenden Techniken initiiert und begleitet. Eine besondere Technik stellt z.B. das Doppeln (Patienten imitierendes und anreicherndes Verhalten) dar, eine spezielle Intervention des Doppelns ist die Einführung des Doppelgängers . Dieser kann - so zeigt sich die Differenziertheit des Buches - die Kognitionen verfeinern, Aktivität und Selbstwert regulieren, Emotionen bei sich und anderen verstehen helfen u. v. a. m. Eine Variante des Doppelgängers stellt sich ganz neben den psychotischen Patienten und nimmt bewusst seine Wahnwelt als Realität an in einem Ausmaß, das den Patienten zu korrigierenden Bemerkungen herausfordert. Es gibt noch weitere Varianten des Doppelgängers, sowie auch weitere Formen des Doppelns: Z.B. das Doppeln von Ambivalenzen oder die Stellvertreter-Technik.
Der Anhang bringt die Regeln des Psychodramas, ein Kreismodell der Störungsorientierung, einen Dokumentationsvorschlag und Fragen zum Sozialen Netzwerk.
Das Reizvolle an Stadlers Buch ist die Subtilität, mit der er die Techniken analysiert und beschreibt, Anwendungsvarianten je nach bestimmten Störungen vorschlägt und so ein an Vielfältigkeit der Komplexität des Leidens gerecht werdendes Instrumentarium schafft! Wer dieses Spektrum therapeutischer Handlungsanregungen zur Kenntnis genommen hat, kann nicht - wie noch Freud - auf das "Agieren" hinab blicken.
Hier ist eine wichtige Dimension des Menschseins, nämlich sein Handeln und die aktionale Übersetzung seiner Probleme beschrieben. Das Buch regt zum "Mittun" als Therapeut oder Patient an und hinterlässt beim Leser den eindringlichen Appell, in der Therapie das Aktionale dem Reflexiven an Bedeutung gleichzusetzen!