Psychotherapie mit Imaginationen

Der Aufbau des Buches: Fünf Beiträge zeigen exemplarisch Möglichkeiten der Katathym Imaginativen Psychotherapie (KIP) auf. Leuner legt die von ihm entwickelte Methode grundsätzlich dar, Kottje-Birnbacher beschreibt die strukturellen und entwicklungsfördernden Möglichkeiten der KIP und bezieht...

Buchtitel: Psychotherapie mit Imaginationen
Autorinnen: Kottje-Birnbacher L, Sachsse U  Wilke E
Verlag: Huber
Erschienen: 2010

...sich auf die aktuellen psychodynamischen Auffassungen. Klessmann stellt das universelle Symbol des Weges dem Symbol Haus gegenüber und exemplifiziert damit die Polarität von expansivem Streben nach Neuem und Suche nach Sicherheit und Vertrautheit. Hauler geht auf eine andere Polarität ein: Das Vertraute in uns und das Fremde in uns, das wir mit Imaginationen langsam erhellen können. dÁrcais-Strotmann demonstriert die imaginative Überwindung des physikalischen oder historischen Zeitpfeils: Alle Zeiten durchdringen einander und ermöglichen dadurch Bearbeitung. Schließlich überzeugt Ullmann von den Möglichkeiten der KIP, die konzeptuellen Metaphern der Außen- und Innenwelt (Alfred Adler hätte von tendenziöser Apperzeption gesprochen) aufzubrechen und über poetische, musische, symbolische Wege neu zu formen bzw. aus ihrer selektiven Enge zu befreien.

Fünf weitere Beiträge fokussieren Aspekte der Behandlungstechnik: Schnell geht auf die Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse in der KIP und ihrer fruchtbaren Verwertung ein. Salvisberg unterscheidet mit Grawe zwischen durch Nachdenken erinnerbaren konzeptuell/ deklarativen Gedächtnisinhalten und den perzeptuell/ impliziten Gedächtnisinhalten, die nur durch prozessuale Aktivierung (wie eben Imaginationen) wieder erlebt und (wieder) erkannt werden können. Dieter trifft die wichtige behandlungstechnische Unterscheidung zwischen der reifen Symbolisierungsfähigkeit bei neurotischen Störungen und der Spaltungsabwehr, Ich-Schwäche, dem Mangel an psychischem Innenraum u. v. a. m. bei strukturellen Störungen, die daher einer ganz anderen Technik bedürfen. Ladenbauer entwirft eine Pallette hilfreicher Begleit- und Interventionstechniken, die ein flexibles Eingehen z.B. auf die räumliche oder zeitliche, Wahrnehmungen oder Beziehungen betreffenden Dimensionen der Imagination ermöglichen. Schließlich beschreibt Bahrke die Wirkfaktoren der KIP wie z.B. die Imagination als Brücke zwischen Symptom und Konflikt, zwischen Körper und Psyche; die Ressourcenaktivierung; die kreative Problemlösung.

Die sechs abschließenden Beiträge widmen sich speziellen Krankheitsbildern: Wilke plädiert für protektives Vorgehen bei psychosomatischen Erkrankten, dann ein Zulassen von symbolischem Auftauchen von Ambivalenzen, schließlich kann in einer dritten Phase auf Konflikte eingegangen werden. Seithe-Blümer sieht die Ursache von verzerrter Körperwahrnehmung Magersüchtiger in bösen Objektbildern und entwickelt ein Behandlungskonzept aus objekttheoretischer Perspektive, z.B. Förderung der Abgrenzungsfähigkeit, Ansprechen einer guten frühen Objekterfahrung. Eibach setzt sich mit Karzinompatienten auseinander, mit der Gefahr einer psychischen Dekompensation durch das Bewusstsein des nahenden, unabwendbaren Todes. Spezifisch entwickelte Motive helfen, das Bedrohende auszudrücken, aber auch ein Getragenwerden, Kraft und Wandlung, einen imaginären Schutzraum zu erleben. Pahl weist auf zwei Entwicklungslinien hin, die zur Vervollständigung narzisstischer Szenen führen: 1) Die katathyme Szene entfaltet sich imaginativ, affektiv und aktional-motorisch, denn das Thema einer Imagination garantiert noch nicht das narzisstische Erleben. 2) Positive und negative Affekte verbinden sich mit Selbstrepräsentanzen. Ulrich Sachsse gibt den wichtigen Hinweis, dass traumatisierte Kinder sich in imaginäre Welten flüchten. Zum Unterschied von konfliktzentriertem Vorgehen muss beständig eine stabilisierende Ressourcenaktivierung angepeilt werden, Imaginationen dürfen bei Traumatisierten nicht der freien Entfaltung in möglicherweise katastrophale innere Bilderwelten überlassen werden. Spezifische Motive werden eingesetzt, um dem Prinzip „safety first“ zuentsprechen, in Mittelstufen- Motiven werden symbolisch verkleidet traumatische Szenen durchlebt, diffusen Zuständen wird in einer zweiten Phase eine imaginative Gestalt gegeben, anschließend wird wieder ressourcenorientiert vorgegangen: Was ist vorhanden an Sensibilität, Kreativität, Genussfähigkeit?

Benedetti und Peciccia beschreiben die Möglichkeit therapeutischer Arbeit mit psychotisch erkrankten Menschen, indem man einen Dritten Raum, z.B. durch Zeichnen als Kommunikation zwischen Therapeut und Patient eröffnet. In der grafischen Entwicklung des Selbstsymbols, im progressiven Spiegelbild zeigt sich der therapeutische Fortschritt.

Zwei Sätze aus der Einleitung verdienen besondere Beachtung. Bezogen auf die Mentalisierung und die Etablierung des inneren Raums heißt es: „Da diese Prozesse allgemein psychische Entwicklungen und damit Grundlagen einer allgemeinen Psychotherapie sind, ist die Arbeit mit Imaginationen in jeder Therapierichtung aktuell…“ (S 17), wobei betont wird, dass die Artikel für generell an Imaginationseinsatz interessierte Psychotherapeuten verständlich und nachvollziehbar sind ( Seite 18). Das erinnert an die Worte von Leuner (dem Begründer der Katathym Imaginativen Psychotherapie): „Das Katathyme Bilderleben ist mehr als ein Therapieverfahren. Es stellt ein System gestaffelter Methoden und Regieprinzipien zur Handhabung des Tagtraumes in der Psychotherapie dar“ (S 25f).

Indirekt könnte man aus dem obigen Satz die Vermutung ableiten, dass in diesem Buch eine allgemein transferierbare Imaginationstechnik beschrieben würde (was die Tatsache verschleiern würde, dass Imaginationen in verschiedenen Therapieformen in konzeptuell ganz verschiedenen Bedeutungsrahmen stattfinden). Diesen Eindruck korrigiert aber im vorhinein schon der Satz: „Die Auswahl der Artikel .. orientiert sich daran, dass wir ein möglichst umfassendes Bild der KIP geben und prägende Autoren selbst zu Wort kommen lassen wollten“ (Seite 18). Das erklärt auch, warum die meisten der Beiträge nämlich schon in anderen Publikationen erschienen sind: Sie sind exemplarisch!

Die Intention der Herausgeber hat sich voll erfüllt: Es ist ein farbenprächtiges, vielseitiges, differenziertes Plädoyer gelungen: für die Arbeit mit Imaginationen allgemein und spezifisch für eine der interessantesten Psychotherapieformen, die Katathym Imaginative Psychotherapie!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
19.07.2010
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/psychotherapie-mit-imaginationen.html
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