Rewire! Warum wir das Internet besser nutzen müssen

Die Hauptbotschaft des Autors steckt schon im Titel: Wir müssen das Netz nochmals knüpfen, um das Internet effektiver zu nützen. Was Zuckerman, ein amerikanischer Medienwissenschafter bewusst macht, kann ihm als großes Verdienst angerechnet werden.

Buchtitel: Rewire! Warum wir das Internet besser nutzen müssen.
AutorInnen: Zuckerman E.
Verlag: Hans Huber: Bern
Erschienen: 2014

Zum Inhalt

Die Hauptbotschaft des Autors steckt schon im Titel: Wir müssen das Netz nochmals knüpfen, um das Internet effektiver zu nützen. Was Zuckerman, ein amerikanischer Medienwissenschafter bewusst macht, kann ihm als großes Verdienst angerechnet werden: Das Internet, wie es zumeist genützt wird, ist nicht so global, wie wir glauben möchten.  Sicherlich ist das Internet in der Lage, Inhalte weltweit zu verbreiten, Effekte international zu multiplizieren. Das Internet kann politische Systeme destabilisieren, aber andererseits auch Epidemien durch konzertierte Maßnahmen zum Erlöschen bringen. Das Internet kann – so die erste Aussage-  verbinden, „anstecken“, anregen. Es kann uns mit der Welt verbinden. Aber dennoch: unser Weltbürgerempfinden ist eingebildet, unser Kosmopolitentum imaginär. Was wir kennen  ist abhängig davon, wen wir kennen (der uns Informationen zukommen lässt bzw. auf bestimmte Inhalte aufmerksam macht)! Experimente mit dezentralisierten Nachrichtendiensten,  „globalen Stimmen“ ,  scheiterten am Desinteresse der intendierten Nutznießer.  Außerdem tragen  Übersetzungsprobleme zur unfreiwilligen Selektion der Information bei. Dass die höchst zweideutige Sprache ihre Konkretisierung erst durch die Berücksichtigung des Kontexts erhält, steht symbolisch für die Tatsache, dass alles in seinem  Zusammenhang betrachtet werden muss. Andererseits ist das Herausfallen aus dem Kontext auch wichtig: Die nötige Offenheit für Innovationen ergibt sich, auch durch den zur Verfügung gestellten Freiraum  für ungewohnte Perspektiven und  Zufallserkenntnisse. Zuckerman beschreibt Möglichkeiten für eineZufallserkenntnis- Bereitschaft.

Zuckerman demonstriert an vielen, sehr vielen Beispielen seine Botschaft. Er baut auf die Macht der Fakten, auf die Aussagekraft von Ereignissen, im Hintergrund bleiben die sicher vorhandenen Bemühungen um die Logik und Konsistenz der Argumente. Die Belegfülle versetzt in anerkennendes Staunen, aber auch in einen etwas „ „zugedröhnten“ , ermüdeten Zustand, vor allem auch wegen der Breite der Beispiele. Als Exempel dafür sei die Themenvielfalt eines Teilkapitels angeführt: „ Taliban, Mc Donalds  und Ziegencurry“ (Seite175). Es ist aber nicht so, dass der Autor nicht auch Grundlinien  in die Zukunft zeichnet, er bietet viele Konzepte an, einige Beispiele dafür: das Konzept der „Torwächter“  nimmt  Menschen an , die in der Lage sind zu bestimmen, wer welche Informationen erhält und wie sie verwendet werden ( Konzept von Kurt Lewin) (Seite 93ff). „Xenophile“ sind Menschen, die sich gern auf das Fremde einlassen (Seite 198ff);  man kann ihre Fähigkeit und Haltungen ebenso einsetzen, wie die der„ Brückenbauer“ (Seite 173 bis 195), die interkulturelle Verbindungen herstellen. Die  „Homophilie“  (Gleich zu Gleich gesellt sich gern!)(Seite 76ff) erklärt, warum so viele Menschen das Internet nur teilweise nutzen: Sie suchen- oft ausschließlich Gleichgesinnte. „Menschliche Bibliotheken“ sind Menschen, die spezifische Inhalte gespeichert haben, die sie gezielt  weiter geben (197f).“Kinder der dritten Kultur“ sind in der Schnittstelle zweier Kulturen aufgewachsene Menschen, die beides integrieren und zu einer neuen Kultur verschmelzen.

Der Autor setzt sich in diesem   Buch weniger mit der Richtigkeit der Information im Internet auseinander, sondern mehr mit der Repräsentativität der Inhalte, mit ihrem Globalitätsanspruch,  die er durch verschiedene Phänomene bedroht sieht. Der Glaube, sich in einer überall gleichermaßen informativ versorgten „Flachwelt“ ( Seite 50) zu befinden, wird durch Beispiele widerlegt, die zeigen, dass der Mensch  zwar von globalen Möglichkeiten träumen mag, sie de facto aber nicht nützt.  Die Einschränkung durch Bevorzugung des Gleichen, Ähnlichen wurde schon erwähnt.  Auch an völlig anderen Parametern wird dieses  Phänomen sichtbar, z.B. gibt es zwar eine globale Infrastruktur, aber die tatsächlichen Passagierströme  sind lokal. Nachrichten werden nicht nach sachlichen Kriterien sortiert, sondern es dominieren die Berichterstattungen, auf denen die Medien-Aufmerksamkeit liegt. Amüsant und originell sind die Betrachtungen der Übersetzungsprobleme.  Heute wird mit zwei Modellen gearbeitet, im sog. „Sprachmodell“ werden Wörter in der „Zielsprache“ gesammelt, im Übersetzungsmodell werden Sätze gesammelt, in denen die Zielwörter vorkommen. Da als Quellen für die Übersetzung in die Zielsprache wegen der Urheberrechte oft nur die frei verfügbaren Parlamentstexte der EU zur Verwendung stehen,  „klingen wir vielleicht alle wie Europa-Abgeordnete“ (Seite 150).

Zuckermans Erstlingswerk lässt weitere  interessante literarische Produkte erwarten, jedenfalls verändert es die Einstellung zum Internet nachhaltig!  Möglicherweise wird es wegen seiner Detailfülle gelobt werden oder  wegen des Stils,  der von manchen Rezipienten als eine  Art journalistisches patchwork empfunden werden mag, gerügt werden.  Jedenfalls: Die Problematisierung der Repräsentativität oder anders ausgedrückt: der Hinweis auf die mangelhafte Nutzung des Netzes fesselt und verunsichert, macht auf Risse, Löcher und grobe Maschen aufmerksam und auf ausbaufähige Knoten im Netz!  Es ist darüber hinaus sehr sympathisch, dass in Zuckermans Buch der menschliche Faktor so wichtig ist!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
03.05.2014
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/rewire-warum-wir-das-internet-besser-nutzen-muessen.html
Kostenpflichtig
nein