Strategisch-systemische Aspekte der Verhaltenstherapie

Für den Rezensenten sind in diesem inhaltlich umfassenden, vom Ansatz her sehr originellen Buch die Reflexionen bei den zahlreichen Fallgeschichten während und nach Therapieabschluss am meisten beeindruckend. Ein Beispiel zur Illustration. Eine Patientin mit Waschzwang berichtet nach einer Woche...

Buchtitel: Strategisch-systemische Aspekte der Verhaltenstherapie
Autorinnen: Hand I
Verlag: Springer
Erschienen: 2008

...verhaltenstherapeutischer Expositionsübungen freudig die Befreiung von ihrem Zwang: Auf die Frage nach dem Grund antwortet sie:“ Sie haben mir ja immer wieder gesagt, dass Taubendreck eigentlich harmlos ist – und jetzt kann ich es plötzlich glauben“(S 30). Nun reflektiert der Autor, der der Behandlung im Sinne eines teaching by modelling zusehen durfte: „Eigenständige ‚kognitive Umstrukturierung’ als Folge der Exposition? Habituation bis hin zur Langeweile? Auswirkung der Patientin- Therapeut- Beziehung – oder aller Faktoren?“ (ebd.). Ebenfalls beeindruckend ist die durchaus nachvollziehbare, überzeugende Argumentation für die Integration systemischen Denkens in die Verhaltenstherapie, wobei der Autor deutlich macht, dass es nicht um die Aneignung eines anderen (systemischen) Therapieverfahrens geht, sondern um die geänderte Perspektive, weg von einer störungs-, individuums-, technik- orientierten Haltung, hin zu einem Plädoyer für eine „biografisch orientierte Strategie der Indikationsstellung und Durchführung unterschiedlicher verhaltenstherapeutischer Interventionen..für leidende Menschen, die ausdrücklich nicht als isolierte ‚Selbst’, sondern als soziale Wesen in einem interaktionellen Kontext...verstanden werden.“( S 20). Zum Aufbau: Nach einer Darstellung der Entwicklungs-Wellen der Verhaltenstherapie folgen autobiografische Skizzen aus einem „Learning by doing“, dann Hinweise zur multimodalen, strategisch-systemischen Verhaltenstherapie, ein Kapitel über die Strategie der Integration systemischer Aspekte in den Verhaltenstherapie-Prozess und schließlich Assoziationen zur Frage, welche der geschilderten Störungen nach der Richtlinien- Verhaltenstherapie als indiziert gegolten hätten. Das Buch ist verständlich und originell formuliert, auf die „Judo-Technik“ oder das „Trojanische Pferd „ (S 106) sei nur –zum Neugierig-Machen – hingewiesen, oder auf die Hypothesenmitteilung an die Patienten als Spielbälle (der Patient entscheidet, ob den Ball annimmt und weiter spielt, oder den Ball vorbei fliegen lässt oder zurückschmettert) (S 82). Oder seine Forderung: „Wir wollen weder manualisiert- routinierte noch kreativ-chaotische Therapeuten „ (S 19). Nur eine kleine Anmerkung: Die Druckgestaltung erzeugt eine Ambivalenz beim Rezensenten. Die Textstrukturierungsabsicht ist anerkennenswert, aber die gewählte Form durch ein verschmälertes Textband mit sehr breitem Rand für Texthervorhebungen (wobei die hervor gehobenen Wörter oder Textpassagen meist ohnehin in unmittelbarer Nähe stehen und hervorgehoben sind) könnte bei einer Neuauflage überdacht werden.

Insgesamt: Ein sehr ansprechendes Buch, faszinierend für Verhaltenstherapeuten und attraktiv für alle anderen, die ein neues, sympathisches Bild dieser Therapie gewinnen.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
23.07.2008
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/strategisch-systemische-aspekte-der-verhaltenstherapie.html
Kostenpflichtig
nein