Suizidalität

Die Autoren haben mit diesem prägnanten, informativen, praxisrelevanten Buch eine wertvolle Grundlage für den therapeutischen, aber auch mitmenschlichen Umgang mit der suizidalen Grenzsituation geschaffen. Das schmale, aber inhaltsreiche Buch kann sehr empfohlen werden!

Buchtitel: Suizidalität
Reihe: Fortschritte der Psychotherapie Band 54
AutorInnen: Teismann T u Dorrmann W
Verlag: Göttingen: Hogrefe
Erschienen: 2014

Zum Inhalt

Schon in der Einleitung gibt es einen ganz wertvollen Hinweis: Es gilt, zwei Fallen zu vermeiden, die Ohnmachtsfalle und die Allmachtsfalle. Man steht dem Phänomen nicht hilflos gegenüber, sondern kann suizidales Erleben reduzieren; nicht alles kann aber verhindert werden und unterliegt der Verantwortung des behandelnden Therapeuten! "Die Verantwortung für den suizidalen Akt liegt damit im Kern immer beim Betroffenen" (Seite 2). Allerdings sollten Warnsignale nicht ignoriert werden und könnten im Buch stärker betont werden. Im ersten Kapitel wird Suizidalität hinsichtlich wesentlicher Kriterien beschrieben: Definitionen (z.B. die Abgrenzung zur unintentionalen Selbsttötung), Risikofaktoren, Prognose, Diagnoseverfahren u. v. a. m. Im folgenden Kapitel werden drei Modell e suizidaler Handlungen dargestellt, aber auch neurobiologische, genetische Faktoren werden berücksichtigt. Kapitel 3 beleuchtet Diagnostik und Indikation, bringt wichtige Hinweise zur Risikoabschätzung, aber auch zur Einschätzung von protektiven Faktoren. Kapitel 4 kreist um das Thema Behandlung, Interventionsstrategien bei Krisen, wichtige Empfehlungen erfolgen wie z.B. Zeit gewinnen, Neugier wecken, Entscheidungen für das Leben wecken, Bearbeiten ungünstiger Überzeugungen und Annahmen, Einbeziehung von Angehörigen, Rückfallpräventionsübungen. Auch rechtliche Aspekte kommen zur Sprache. Dem Buch beigefügt sind zwei Plastik-Karten. Die eine enthält auf der Vorderseite ein Prozessmodell für die Krisenintervention bei suizidalen Patienten und auf der Rückseite Frage zur Exploration eines Suizidversuchs. Die andere Karte bringt das Beispiel eines Non-Suizid-Vertrags und auf der Rückseite einen Notfallplan.

Das Buch zeichnet sich in mehrfacher Weise aus: Es macht den Ernst der Situation bewusst, dramatisiert aber nicht; es weist auf viele Facetten der professionellen Umgangsweise mit suizidalen Menschen hin, aber es doziert nicht; es bringt viele Ideen ein, z.B. kognitiv therapeutische Interventionen, aber auch Maßnahmen zur Förderung der Selbstkontrolle - und es ist so allgemein verständlich geschrieben, dass eine Kompatibilität mit verschiedensten Therapieansätzen gegeben ist. Eine "Kostbarkeit" stellen die erwähnten beigefügten Karten dar: so ist der Notfallplan ein hervor ragendes Instrument der Selbstkontrolle (der suizidale Mensch schätzt seine Befindlichkeit in drei Stufen je nach Art und Dauer der Beschäftigung mit Selbsttötungsgedanken ein und ergreift die jeweils vorgeschlagenen Maßnahmen, die von Ablenkung bis zum Wählen einer Krisentelefonnummer und zur Notaufnahme reichen können). Der Non-Suizid-Vertrag ist eine in bestimmten Situationen notwendige Maßnahme, um überhaupt therapeutisch handeln zu können. Die Einschätzung der Verbindlichkeit des Vertrags ist nicht leicht, sie ist dort möglich, wo der Patient seinen Selbsttötungsvorsatz noch aufschiebt und unschlüssig ist. Die vom Rezensenten in Befragungen ermittelten Risikofaktoren Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit und Haltlosigkeit (i.S. von Isolation) spielen auch eine wichtige Rolle im vorliegenden Werk: Hoffnungslosigkeit und Haltlosigkeit in den Kapiteln 3 (Risikofaktoren) und 4 (ungünstige Annahmen), die Hilflosigkeit wird angesprochen im Abschnitt "Zentrale Therapiebausteine" (Seite 72ff)- zur Verringerung der Hilflosigkeit gehören Bewältigungskärtchen, und andere Möglichkeiten der Verbesserung von Problemlösekompetenz.

Die Autoren haben mit diesem prägnanten, informativen, praxisrelevanten Buch eine wertvolle Grundlage für den therapeutischen, aber auch mitmenschlichen Umgang mit der suizidalen Grenzsituation geschaffen. Das schmale, aber inhaltsreiche Buch kann sehr empfohlen werden!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
31.03.2014
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/suizidalitaet.html
Kostenpflichtig
nein