Therapie von Entscheidungskonflikten

Kann man den Prozess der Emergenz (Entstehung von Neuem, das nicht zur Gänze durch das Bisherige erklärbar ist) umdrehen ohne Informationsverlust durch diese Reduktion? Kann man das Seelische durch das Biologische, das Biologische durch das Chemische und das Chemische durch das Physikalische...

Buchtitel: Therapie von Entscheidungskonflikten. Das Volitronics-Prinzip.
Autorinnen: Mitterauer B
Verlag: Springer
Erschienen: 2007

...erklären? Der Autor führt die komplexe Therapie von Entscheidungskonflikten auf das elementare Wechselspiel von Intentionen, Verwerfung und Machbarkeitsprogrammierung (bzw. Umweltanpassung) zurück und sieht sich darin durch seine Forschungen betreffend das glia-neuronale Netzwerk und das Wechselspiel von Umwelt-Information durch Neurotransmitter und dazu in Passung zu bringenden glialen Prozessen (als Entsprechung für die Intentionen), bestätigt. Für die Berechtigung der kybernetischen Abbildung des komplexen Seelenlebens zieht Mitterauer die transklassische Logik von Gotthard Günther heran, die statt der Wahrheitsfunktion die Willensfunktion der Akzeptanz und Verwerfung betont – eine Grundlage für die „Volitronic“. Da Mitterauer sich Jahrzehnte sowohl mit dieser Kybernetik als auch mit Hirnforschung beschäftigt hat, steht der nicht spezialisierte Leser nicht vor der Frage der Nachprüfbarkeit der Aussagen, sondern vor der willentlichen Akzeptanz oder Verwerfung des Modells. Im ersten –praktischen – Teil wird die Volitronics-Therapie dargestellt und als zeitsparende Kurztherapie angeboten. Der durchschnittlich beschriebene Patient hat z.B.ihn verfolgende Träume oder leidet an einer diffusen Identitätskrise. Das Volitronics-Modell sieht nun eine umfangreiche Eingangs-Psychodiagnostik vor (organisch, neurologisch, psychologisch, psychiatrisch). Außerdem wird die Abweichung vom statistisch normalen Verhalten erhoben und das Akzeptanz- und Verwerfungsmuster des Patienten – beides mittels Fragebögen. Dann folgt eine Analyse eines akuten Traums, bei der aber nicht „der Umweg“ über Symboldeutung gemacht wird, sondern gleich nach Intentionen gesucht wird, die dann auf ihre Machbarkeit geprüft werden.

Der durchschnittlich beschriebene Patient erfährt dabei z.B., dass er in einem Entscheidungskonflikt zwischen Karriere und Familie, Freizeit etc. steht. Die Machbarkeitsprogrammierung bewegt sich auf die Frage zu, ob die subjektive, kommunikative und objektive Machbarkeit sich wie drei überlappende Kreise verhalten, oder ob z.B. die objektive Machbarkeit entfällt (z.B. weil der Posten des angestrebten Klinikchefs oder Institutsvorstandes nicht vakant ist). Als Psychotherapeut ist man zugleich fasziniert von der Einfachheit, ja Eleganz des vorgeschlagenen Verfahrens, das in wenigen Schritten zum Erfolg führen will; und zugleich ist man befremdet, wenn man die eigenen Erfahrungen mit der unendlichen Komplexität des menschlichen Problem(lösungs-)Verhaltens bedenkt und an die Vielfalt des menschlichen Leidens und auch basaler Probleme (die durch das im Buch beschriebene eher elitäre Klientel nicht berührt werden). Dass auf die Möglichkeit hingewiesen wird, relativ einfach technisch in der Robotik Akzeptanz- und Verwerfungsverhalten bzw. Intentionalität realisieren zu können, beruhigt nicht, sondern wirft die oben gestellte Reduktionsfrage erneut auf.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
31.10.2007
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/therapie-von-entscheidungskonflikten.html
Kostenpflichtig
nein