Wegweiser Psychotherapie. Wie sie wirkt, wem sie hilft, wann sie schadet

Das Buch will eine Orientierung im Dickicht der Psychotherapielandschaft geben, Berührungsängste abbauen, die Psychotherapie als wissenschaftlich fundierte Technik und als Kunst der Beziehungsgestaltung betrachten.


Autor/Autorin: Broda M u Dinger-Broda A

Verlag: Stuttgart New York: G.Thieme

Erschienen: 2015

Zum Inhalt

 

Das Buch will  eine Orientierung im Dickicht der Psychotherapielandschaft geben, Berührungsängste abbauen, die Psychotherapie als wissenschaftlich fundierte Technik und als  Kunst der Beziehungsgestaltung betrachten.

Die Autoren sind Psychologische Psychotherapeuten (Richtung: Verhaltenstherapie). Sie greifen tatsächlich die wesentlichen Fragen auf: Wann ist eine Psychotherapie indiziert, welche psychischen Störungen gibt es und wie entstehen sie, wie wird man Psychotherapeut, gibt es ein verbindliches Modell für die Psychotherapie, wie wird konkret gehandelt in der Psychotherapie, wann kann man sie beenden, wie wirkt Psychotherapie, welche Risiken und Nebenwirkungen muss man bedenken, wie helfe ich mir selbst und noch weitere gängige Fragen. Diese finden meist eine klare, verständliche Antwort, einige Beispiele für besonders gelungene  Ausführungen: Auf Seite 27 werden Gesundheit und Krankheit als zwei Pole gesehen, auf der von ihnen aufgespannten Linie bewegen sich unsere Zustände. Aufpassen muss man, dass man nicht in die Technikfalle gerät und alles technisch Mögliche nur weil es technisch möglich ist, versucht (Seite 29);  plädiert wird für eine mehrdimensionale Betrachtungsweise: "Sehe ich nur den Schmerz, habe ich kein Gespür für die Depression. Sehe ich nur das Herzrasen, habe ich keinen Blick für die Angst. Und sehe ich nur das Körpergewicht, habe ich keinen Eindruck vom Körperbild." (Seite 33). Besonderes Lob für die ausgewogene Stellungnahme zum Burnout: Man kann das Burnout als Krankheit werten und damit den einzelnen Betroffenen entlasten. Wird aber diese Individualisierung des burnout überbetont, dann wird die Arbeitswelt entlastet, obwohl Zeitdruck, unvereinbare Aufgabenstellungen, geringe Wertschätzung etc.  sicher zum burnout beitragen.

Es gibt auch Anhaltspunkte für kritische Anmerkungen, dazu einige Beispiele. Auf  Seite 25 werden Spekulationen von einem Symptom auf eine vermutete "Ursache", die dem Patient weder bewusst noch erinnerbar ist, als unzulässig bezeichnet. Hier sollten die Autoren ihren Standpunkt als den von Verhaltenstherapeuten deklarieren und nicht generalisieren (wobei die kognitive Wendung in der Verhaltenstherapie auch nicht direkt beobachtbare Wirkfaktoren berücksichtigt, z.B. intervenierende Variablen.

Auf Seite 55 steht:"Familien- oder Paartherapie ist nicht Gegenstand von Psychotherapie nach den Psychotherapierichtlinien, wenn  keine krankheitswertige Störung bei einem Familienmitglied vorliegt." Kommunikations- und Interaktionsprobleme eines Paares seien ohnehin besser aufgehoben bei Diakonie, Caritas oder ProFamilia. Und bei Schwierigkeiten mit den Kindern seien Erziehungsberatungsstellen die richtige Adresse (Seite 56). Alle diese Aussagen stellen selektive Interpretationen dar, die als solche ausgewiesen werden sollten, weil sie nicht ungeteilte Zustimmung finden würden..

Auf Seite 79 wird Resilienz als die Fähigkeit bezeichnet, Krisen mithilfe vorhandener Ressourcen zu bewältigen. Diese Definition sollte ergänzt werden: ...Fähigkeit bezeichnet, Krisen oder chronische Belastungssituationen..
Auf Seite 125 steht eine Definition der Persönlichkeitsstörung, die die Kollision mit den Mitmenschen und ihren Erwartungen als wichtiges Kriterium anführt. Diese Definition würde sich sehr gut zur Diskussion von Normalität, abweichendem Verhalten, Normentsprechung eignen..
Der Überblick auf Therapieverfahren Seite 137ff ist dünn geraten. Hier empfiehlt sich ein Blick in die Patienten-Information über die in Österreich anerkannten Psychotherapiemethoden, erstellt von Experten des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit.
Auf Seite 148f könnte man ergänzen, das das Autogene Training mittlerweile als Autogene Psychotherapie in der Liste der in Österreich anerkannten Psychotherapieverfahren geführt wird.

Zum Abschluss seien noch drei erwähnenswerte Pluspunkte angeführt: Eine sehr praktische, gute Idee ist die Skizzierung wichtiger Störungsbilde mit kurzen Therapiehinweisen. Sehr hilfreich für die fortwährende Evaluation der Therapie sind die Kriterien für einen guten Verlauf (Seite 244-246); sehr wertvoll aus verschiedenen Gründen sind die Ausführungen zur Selbsthilfe.

Das Buch ist als gelungen zu bezeichnen, die Autoren erreichen ihr Vorhaben! Da das Buch einen wichtigen Aufklärungsbeitrag leistet, wäre ein Blick auf die benachbarten Länder und deren legistischer) Umgang mit der Psychotherapie wertvoll, damit der Leserkreis möglichst groß ausfallen kann! Das Buch ist nicht nur ein Wegweiser für persönliche Therapie-Entscheidungen, sondern zugleich ein Psychotherapie-Lehrpfad, dessen Durchwandern die Angst vor der Expedition in bislang unbekannte Zonen unseres Lebens nachhaltig reduziert!

 

 

 

 

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
08.12.2015
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/wegweiser-psychotherapie-wie-sie-wirkt-wem-sie-hilft-wann-sie-schadet.html
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